Lebensversicherung: Schwächelndes Neukundengeschäft erwartet
Stand: 24.02.2011
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München - Für Neukunden wird die Lebensversicherung vom kommenden Jahr an weniger attraktiv. Grund ist die sinkende Garantieverzinsung. Die Versicherer befürchten nun hohe Einbußen im Neugeschäft, weil ein wichtiges Vertriebsargument verloren gehe. Dabei sind die Zeiten für die Branche ohnehin nicht einfach: Derzeit drücken niedrige Zinsen an den Kapitalmärkten auf die Rendite, außerdem muss sich die Branche mit verschärften Eigenkapitalvorschriften auseinandersetzen. Allerdings bezweifeln Experten, ob der Garantiezins überhaupt noch eine tragende Rolle spielt: Denn niemand weiß, wie sich Kapitalmärkte und Inflation entwickeln.
Mehr als 95 Millionen Lebensversicherungsverträge gibt es in Deutschland, die Branche preist sie als stabiles Produkt mit Planungssicherheit über Jahrzehnte und einer überdurchschnittlichen Rendite. Künftig aber dürfte es für die Vertriebsleute schwieriger werden, neue Kunden zu gewinnen. Denn zum 1. Januar 2012 sinkt der sogenannte Garantiezins - von derzeit 2,25 Prozent auf dann 1,75 Prozent. Entschieden hat dies das Bundesfinanzministerium. Der Garantiezins ist der maximale Zins, den Versicherer ihren Kunden garantieren dürfen.
Die Senkung kommt zwar ein halbes Jahr später als bisher geplant - doch nach der bislang letzten Kürzung im Jahr 2007 kratzt die Regierung nun erneut an dem, auf was sich Versicherungskunden gerne verlassen. Lebensversicherungen sollen sicher bleiben. Wenn die Kapitalmärkte höhere Zinsen nicht hergeben, sollen sich die Versicherer nach Ansicht der Regierung bei einer drohenden langen Niedrigzinsphase nicht mit hohen Zinsversprechen übernehmen. Hinzu kommt, dass für viele Altverträge noch ein Garantiezins von bis zu 4,25 Prozent gilt. Dem Branchenverband GDV zufolge steht für den gesamten Lebensversicherungsbestand in Deutschland im Schnitt ein Garantiezins von 3,4 Prozent in den Büchern.
Branche fürchtet um Kunden
Der Versicherungswirtschaft gefällt die Entscheidung der Bundesregierung nicht - eine Anpassung des Garantiezinses auf 2,0 Prozent hätte vollkommen ausgereicht, kritisierte der GDV und verweist auf den deutlichen Anstieg von Zinsen und Inflation in jüngster Zeit. Angesichts der Senkung des psychologisch wichtigen Garantiezinses fragt sich die Branche nun, wie viele neue Verträge sie künftig überhaupt noch verkauft. Es sei durchaus damit zu rechnen, dass es zu Einbußen im Neugeschäft kommen könne, sagte eine Sprecherin des Marktführers Allianz. Für die Kunden seien Garantien wichtig und spielten im Verkaufsgespräch eine Rolle.
Doch für den Versicherungsanalysten Konrad Becker von Merck Finck hat die Garantieverzinsung als Verkaufsargument ohnehin ausgedient. "Ob 2,25 oder 1,75 Prozent, die Sätze sind in beiden Fällen so niedrig, dass kein rational kalkulierender Anleger seine Entscheidung für eine Lebensversicherung vom Garantiezins abhängig machen sollte." Außerdem müsse der Kunde die Provision für den Vertreter sowie die laufenden Verwaltungskosten tragen.
Garantiezins vs. Gesamtverzinsung
Becker rechnet für die kommenden Monate mit einer steigenden Teuerung und höheren Zinsen. Wenn eine Bundesanleihe wieder fünf Prozent bringe, sei es einerlei, wo der Garantiezins liege. Dann zähle einzig, welche Gesamtverzinsung der Versicherer seinen Kunden einschließlich Überschussbeteiligung bietet - und diese war noch nie garantiert.
Zudem steht die Branche auch an einer anderen Front vor Problemen: Sie muss sich voraussichtlich von 2013 an auf verschärfte Eigenkapitalvorschriften einstellen. Die Regeln sollen die Versicherer zwingen, für eingegangene Verpflichtungen wie den Garantiezins mehr Kapital zurückzulegen.
Dennoch erwartet Experte Becker nicht, dass die Lebensversicherung einen "Tod auf Raten" stirbt, weil das Neugeschäft ausbleibt. "Für denjenigen, der sich seine Lebensversicherung als Leibrente bis zum Tod auszahlen lässt, ist sie eine Wette auf die Lebenserwartung." Wer lange lebe, könne eine weit höhere Rendite erwirtschaften.
Bis zur Absenkung des Garantiezinses Anfang 2012 befürchten Verbraucher-Organisation wie der Bund der Versicherten nun eine "Jahresendrally". Verbraucher könnten dazu gedrängt werden, schnell und unüberlegt eine Lebens- oder Rentenversicherung abzuschließen - diese aber seien ohnehin intransparent und viel zu teuer.
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