Krankenkassen erleiden Millionenschäden durch Betrug
Stand: 04.03.2011
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Erfurt - Durch Betrug im Gesundheitswesen sind den Krankenkassen im vergangenen Jahr Schäden in Millionenhöhe entstanden. Mit eigens eingerichteten Fachabteilungen machen sie nun Jagd auf die schwarzen Schafe unter den Leistungserbringern, die sich etwa mit gefälschten Rechnungen oder Abbuchungen für nicht erbrachte Leistungen bereichern wollen. So deckten die Ermittler der AOK Plus im vergangenen Jahr in Thüringen und Sachsen Betrugsfälle mit einer Schadenssumme von rund 500.000 Euro auf. Im Vergleich zum Vorjahr habe sich dieser Betrag mehr als verdoppelt, erklärte AOK-Referatsleiter Olaf Schrodi gegenüber der Nachrichtenagentur dapd.
2010 habe die Krankenkasse 418 Hinweise auf Betrug, Urkundenfälschung oder Veruntreuung erhalten. In 139 Fällen seien Abmahnungen erteilt und die Rückzahlung des verursachen Schadens vereinbart worden. Gegen 23 Leistungserbringer wurde laut AOK Strafanzeige erstattet. In 82 Fällen sei kein Vergehen festgestellt worden, 120 Vorgänge würden noch geprüft.
Die Staatsanwaltschaft Meiningen ist thüringenweit "für alle Facetten des Abrechnungsbetrugs zuständig", wie Staatsanwalt Jochen Grundler sagt. Im vergangenen Jahr seien 35 neue Verfahren eröffnet worden, zudem gebe es eine weitaus höhere Zahl nicht abgeschlossener Fälle. Dass es sich dabei um eine sogenannte Holkriminalität handele, erschwere die Arbeit der Ermittler. Denn in der Regel gebe es keine unmittelbar Geschädigten, die wie bei einem Diebstahl Anzeige erstatten. Stattdessen müssten die Vergehen durch Kontrollen und Ermittlungen aufgedeckt werden. "Da muss man genau hingucken und wühlen", sagte Grundler.
Gefälschte Rechnungen und nicht erbrachte Leistungen
Es gehe nicht darum, Berufsgruppen und Verbände zu kriminalisieren, betont AOK-Ermittler Schrodi. Durch seine Arbeit wolle er den Druck auf die schwarzen Schafe erhöhen. "Der abschreckende Effekt spielt eine große Rolle", sagt der Jurist.
Nicht jeder Verdacht erhärte sich jedoch, und oftmals seien fehlerhafte Abrechnungen auf Unwissenheit oder ein Versehen zurückzuführen. In einigen Fällen seien aber kriminelle Maschen zu erkennen. Dies betreffe sowohl Ärzte als auch Apotheker, Psycho- und Physiotherapeuten, Sanitätshäuser, Hebammen sowie Betreiber von Pflegediensten. Die Liste der Tricks sei lang und reiche von Schein-Behandlungen über gefälschte Rezepte bis hin zu Absprachen zwischen Ärzten und Apothekern, erklärte Schrodi.
Einen solchen Fall deckte die AOK Plus im vergangenen Jahr auf. In einer Praxis sollen über Jahre Rezepte ausgestellt worden sein, die nie beliefert wurden. Eine Ärztin und ein Apotheker sollen dabei eine sechsstellige Summe erbeutet und unter sich aufgeteilt haben.
In einem anderen Fall wurden Unregelmäßigkeiten bei einem Rettungsdienst aufgedeckt. Anstatt direkt zu Notfalleinsätzen auszurücken, mussten die Angestellten häufig noch einfache Kranken- oder Behindertentransporte ausführen. Zudem sollen Rettungsassistenten illegal im Taxiunternehmen des Betreibers eingesetzt worden sein. Dadurch sei mehreren Krankenkassen ein Schaden von über 400.000 Euro entstanden. Allein für die AOK Plus belief sich die Summe Schrodi zufolge auf 170.000 Euro.
Krankenkassen fordern Millionenbeträge zurück
Auch die DAK verzeichnete im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben einen deutlichen Anstieg bei den Betrugsfällen. Das zehnköpfige Team in der Hamburger Zentrale der Krankenkasse konnte deutschlandweit Rückforderungen in Höhe von knapp zwei Millionen Euro stellen. Aktuell würden 2.000 Verdachtsfälle untersucht. Die große Mehrheit der Leistungserbringer rechne aber vertragsgemäß ab, betont DAK-Chefermittler Volker zur Heide.
"Wir sprechen hier über einen ganz geringen Anteil der Leistungserbringer", sagt auch ein Sprecher der Barmer GEK, die 2010 bundesweit rund 2,8 Millionen Euro aus Betrugsfällen zurückforderte. Der Übergang von Fahrlässigkeit über Fehlverhalten zum kriminellen Vorsatz sei fließend. Auch die Techniker Krankenkasse fordert nach eigenen Angaben jährlich Millionensummen wegen Betruges zurück.
Die AOK Plus vertritt in Thüringen und Sachsen nach eigenen Angaben rund 2,7 Millionen Versicherte und ist damit die größte Krankenkasse in den beiden Bundesländern. In diesem Jahr haben die Ermittler der AOK bislang 55 Hinweise auf ein mögliches Fehlverhalten von Leistungserbringern erhalten.