Gebrauchtwagenverkauf - Gutachten nicht immer unabhängig
Stand: 31.01.2012
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Stuttgart/Essen - Wer seinen Gebrauchtwagen verkaufen möchte, ist oft erstaunt, wie wenig Geld er für seinen Wagen noch bekommen soll. Bei der Wertermittlung verlässt man sich meist auf die Gutachten externer Sachverständiger. Doch der Eindruck von Unabhängigkeit bewahrheitet sich oft nicht. Auch bei der Autobewertung lohnt also ein Vergleich.
Wer seinen Gebrauchten verkaufen möchte, ist oft überrascht, wie wenig er für seinen Wagen noch bekommen kann. Selbst bei Inzahlungnahme für eine Neuanschaffung nennen Händler manchmal niedrige Ankaufpreise, die manchen Kunden schockieren. Doch darf man den zugrundeliegenden Gebrauchtwagenbewertungen trauen? Ja, könnte man meinen, vor allem, wenn Sachverständigenorganisationen wie TÜV oder Dekra die Bewertung für den Händler übernehmen. Doch Vorsicht, denn der realistisch zu erzielende Preis hängt von vielen Begleitumständen ab.
Wertverlust ist vor allem in den ersten Jahren immens
Die Wahrheit ist bitter: Der Wertverlust ist vor allem in den ersten Jahren immens. Das wissen Experten wie Axel Bischopink, Leiter der Gebrauchtwagenbewertung beim TÜV Süd. Selbst wenn ein halbes Jahr altes Fahrzeug mit nur noch der Hälfte des Neupreises bewertet wird, könne dies ein realistischer Händlereinkaufswert sein: "Das ist nicht abwegig." Allerdings ist solch ein immenser Wertverlust ein Extremfall und nicht die Regel.
Wer die Kalkulationen der Händler verstehen möchte, benötigt dazu eine Erklärung: "Es kann zum Beispiel sein, dass ein anzukaufendes Auto aus privater Hand, das nicht älter als ein Jahr ist, auf dem Händlerhof in Konkurrenz zu ausrangierten Firmen- oder Dienstwagen tritt, die nach einem halben Jahr schon 30 Prozent unter Neupreis gehandelt werden", erklärt der TÜV-Mitarbeiter.
Händler planen Handelsspanne von bis zu 17 Prozent ein
Auch weil Händler eine Handelsspanne von üblicherweise 15 bis 17 Prozent einplanten, sinke der Einkaufspreis. Sie kann nach Aussage von Thomas Firmery, Bereichsleiter Sachverständigenwesen bei der Organisation KÜS, manchmal sogar bei bis zu 30 Prozent liegen.
"Wertmindernd wirkt sich außerdem aus, dass Autos aus Privathand nicht mit ausweisbarer Mehrwertsteuer, also nicht an gewerbliche Kunden weiterverkauft werden können", ergänzt Bischopink.
Üblicherweise verfahre der Händler so: "Er verschafft sich zunächst einen Überblick über die gängigen Marktpreise vergleichbarer Fahrzeuge", sagt der TÜV-Experte. Das mache er zum Teil mit eigenen Recherchen in Internet-Verkaufsportalen wie Mobile.de oder Autoscout24.de. Zudem orientiere er sich an den Datenbanken der Deutschen Automobil-Treuhand (DAT) und des Marktbeobachters Eurotax-Schwacke. Beide Unternehmen sammeln Daten zu tausenden von Fahrzeugen, kalkulieren deren verbleibende Werte und setzen dabei immer einen dem Alter entsprechenden technisch guten Zustand des Fahrzeugs voraus.
Fünf Gutachter, fünf Preise
Jedes Auto wird beim Händler dann je nach Zustand oder Reparaturbedarf individuell bewertet. Gängig ist, dass sich vor allem die Vertragshändler der Autohersteller Sachverständige von Prüforganisationen ins Haus holen. "Sie haben dort einen festen Arbeitsplatz, um diese Bewertungen und Gutachten für den Einzelfall zu übernehmen", sagt DAT-Pressesprecher Siegfried Trede.
Objektive Preise kommen bei der Begutachtung nicht heraus: "Fragen Sie fünf verschiedene Gutachter, und sie bekommen fünf verschiedene Preise", bringt es Firmery auf den Punkt. Die Sachverständigen agierten im "freiwirtschaftlichen Bereich", deshalb fühlten sie sich als Dienstleister eines Autohändlers diesem verpflichtet, um Folgeaufträge zu sichern.
"Das ist einfach so", sagt Firmery, "man spricht vom Sachverständigenermessen. Der eine zieht drei Prozent für ein schlecht gepflegtes Auto ab, der andere nur ein Prozent." Allerdings dürften die Gutachter diesen Spielraum nicht überziehen, ansonsten riskierten sie ihre Glaubwürdigkeit.
Unterschiedliche Gründe für Wertminderung
Deshalb müssten die Sachverständigen ihre Einschätzung auch immer belegen, also erklären können, wie sie zu ihrem Preis kommen. Zum Beispiel können sie die Jahreszeit für eine spürbare Wertminderung nennen. Zum Beispiel kaufen Händler im Winter ein Cabrio zu niedrigeren Preisen an, als zur Saison, wenn es bis zum Verkauf nur vergleichsweise kurz einen Stellplatz auf dem Hof blockiert, erläutert TÜV-Experte Bischopink.
Und es gibt regionale Unterschiede: "In gebirgigen Regionen verkauft sich ein Allradfahrzeug besser als im Flachland", stellt DAT-Sprecher Trede fest: "Der Händler hat die Möglichkeit, den Wert eines Fahrzeuges seinen regionalen Marktgegebenheiten anzupassen."
Am Ende bestimmt also der Autoverkäufer, was unter dem Strich als Hereinnahmepreis genannt wird. Letztlich spielt es bei der Preisbestimmung neben Typ, Ausführung, Alter, Zustand und Laufleistung des Autos auch eine Rolle, wann der letzte Service durchgeführt wurde, wie abgefahren die Reifen sind oder welche Extras an Bord sind und welche Farbe ein Wagen hat.
Nicht selten hängt der Ankaufpreis auch von der Höhe einer Prämie ab, die der Händler beim Verkauf eines Neuwagens kassieren kann. Man sollte deshalb verschiedene Angebote einholen und vergleichen, lautet der einhellige Expertenrat. Einen weiteren Tipp gibt TÜV-Mann Bischopink: Könne sich der Kunde mit einem Angebot letztlich anfreunden, solle er dies akzeptieren, sich aber den Privatverkauf vorbehalten. "So haben Sie den Händlerpreis garantiert, können privat aber mehr erzielen."
Extras können wertmindernd sein
Teure Extras machen sich beim Wiederverkauf eines Autos oft nicht bezahlt. Manchmal wirken sie dem TÜV Süd zufolge sogar wertmindernd. Und wenn das Auto eine ungewöhnliche Farbe habe, etwa Türkis bei einem eher wertkonservativen Auto, werde man es nur unter recht hohen finanziellen Verlusten wieder los, sagt TÜV-Sprecher Frank Volk. Je individueller ein Fahrzeug ausgestattet sei, desto schwieriger werde es, den Wagen zu einem vernünftigen Preis wieder los zu werden. Auch ein sehr starker Motor grenze das Feld potenzieller Käufer stark ein. Positiv auf den Preis könne sich dagegen bei neueren Autos ein Automatikgetriebe auswirken. Auf der anderen Seite ließen sich Limousinen der oberen Mittelklasse nur schwer ohne Navigationsgerät verkaufen.