Bordcomputer speichern immer mehr Daten - Werden Autofahrer gläsern?
Stand: 30.01.2014
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa
Goslar - Auf einsamer Landstraße kommt nachts ein Auto von der Fahrbahn ab und prallt gegen einen Baum. Als der Fahrer darin entdeckt wird, kann ein Notarzt nur noch den Tod feststellen. Das Notrufsystem eCall, so glaubt die EU, kann in solchen Fällen Menschenleben retten. Vom nächsten Jahr an sollen Neuwagen mit der Technik ausgerüstet sein, die bei Unfällen automatisch Hilfe ruft.
Wenn sich der 52. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar mit eCall befasst, wird es nicht um den unbestrittenen Vorteil dieser technischen Neuerung gehen. Denn nicht wenige Experten befürchten, das System werde ein weiterer Schritt sein auf dem Weg zum "gläsernen Autofahrer". Technologien wie eCall könnten zwar helfen, die Zahl der Verkehrstoten zu senken, schreibt zum Beispiel der Automobilclub von Deutschland (AvD). "Sie liefern aber zugleich die technische Grundlage für eine flächendeckende Überwachungsstruktur". Der ACE Auto Club Europa fürchtet gar, "dass Autofahrer klammheimlich eine Art von NSA-Wanzen untergejubelt bekommen".
Denn eCall alarmiere nicht nur Rettungsdienste und liefert Informationen zu Standort, Fahrtrichtung und Autotyp. Der Minicomputer speichere alle Daten zur persönlichen Fahrweise des Nutzers, etwa auch zur Geschwindigkeit vor dem Crash, sagt der Verkehrsjurist Christian Funk vom Deutschen Anwaltverein (DAV). "Ein Fahrer muss sich nach dem Rechtsstaatsprinzip als möglicher Unfallverursacher zwar nicht selbst belasten. Wenn die Behörden aber an Fahrdaten gelangen, wird ihm das nicht viel nützen."
Auf dem Weg zum gläsernen Autofahrer?
Die Sammlung von Daten in Fahrzeugen sei schon heute weiter fortgeschritten, als viele Autobesitzer glaubten, sagt Funk. Und nicht nur das: "Heute werden Fahrzeugdaten direkt über GPS und Internet ohne das Wissen des Fahrzeughalters im Hintergrund ausgewertet und übertragen", bemängelt der AvD. "Zugriff auf die Daten haben alleine die Fahrzeughersteller, die über die weitere Verwendung entscheiden."
"Mit eCall werden die Probleme noch größer", sagt Funk. "Neben einem möglichen Datenmissbrauch droht der gläserne Autofahrer". Im Interesse von Haltern und Fahrern müsse geregelt werden, welche Daten erhoben würden, wie lange diese gespeichert und an wen sie weitergeleitet werden dürften, fordert der Deutsche Anwaltverein.
Auch Automobilclubs rufen nach gesetzlichen Regelungen. Unterstützung bekommen sie vom Präsidenten des Verkehrsgerichtstages, Kay Nehm. Der Schutz der gespeicherten Daten sei unzureichend, kritisiert der frühere Generalbundesanwalt. "Es gibt bisher keine gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz, die für das Kraftfahrzeug passen." Unklar sei vor allem, wer nach Unfällen die von Bordcomputern gespeicherten Daten zu Fahrweise, Tempo und Bremsverhalten nutzen dürfe. "Im Zweifelsfall kann das Auto dann zum Zeugen gegen den Fahrer werden", befürchtet Nehm.
Der Deutsche Anwaltverein plädiert deshalb dafür, dass Daten nicht ohne Einverständnis des Fahrers erhoben werden dürfen. Er müsse zudem die Chance erhalten, die Daten vor einer möglichen Weitergabe an Dritte einzusehen und auf Wunsch zu löschen. "Ohne ausdrückliche Zustimmung des Kfz-Besitzers dürfen Dritte keinerlei Zugang und keinerlei Verwertungsrechte über solche Daten erhalten", fordert auch der Verkehrsexperte des ACE, Matthias Knobloch. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) sieht es ähnlich: "Alle im und vom Auto erhobenen Daten gehören dem Kunden."
Erste Versicherer bieten Autofahrern unterdessen Rabatte an, wenn sie ihre Fahrweise elektronisch kontrollieren lassen. Weniger Versicherungsprämie zahlt allerdings nur, wem die Technik einen passiven Fahrstil bescheinigt.
Bei allen Diskussionen kann VGT-Präsident Nehm dem Datensammeln im Auto auch etwas Positives abgewinnen, sollte es zum Streit kommen: "Der redliche Autofahrer, der heute vor Gericht bisweilen den Kürzeren zieht, weil die Beweislast gegen ihn steht, ist dann vielleicht in einer besseren Position."
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