300.000 Euro? So teuer kann ein Hundebiss werden
Stand: 23.02.2022
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Hundebesitzer gehen mit ihren Tieren Gassi. Eine Frau aus der Gruppe wird von einem Hund gebissen, erleidet eine langfristige Verletzung - und fordert in einem jahrelangen Rechtsstreit 300.000 Euro. Wie kommt die hohe Summe überhaupt zustande?
Bettina S. kann sich noch genau an jenen Tag im März 2012 erinnern: «Der Hund hatte ganz woanders hingeschaut und kam dann aus vier oder sogar fünf Metern auf mich zugesprungen», sagt die Frau, die eigentlich anders heißt, der Deutschen Presse-Agentur. Der Hund biss ihr in die Hand, brach ihr den Mittelhandknochen. «Es war ein offener Bruch», sagt die Mittfünfzigerin. Und der führte zu einer chronischen Nervenkrankheit. «Das sind Schmerzen Tag und Nacht.»
Schmerzensgeld und Schadensersatz nach Hundebiss gefordert
Dieser Vorfall veränderte ihr Leben, wie sie schildert. Die gelernte Verkäuferin, die damals als Reinigungskraft arbeitete, gilt seither als arbeitsunfähig. Auch den Haushalt für ihre fünfköpfige Familie habe sie nicht mehr führen können. Die insgesamt 300.000 Euro, die sie von dem Ehepaar, dem der Hund gehörte, forderte, beinhalteten neben Schmerzensgeld und Schadenersatz auch einen sogenannten Haushaltsführungsschaden.
Jahrelanger Prozess
Etwa die Hälfte der geforderten Summe sprach das Landgericht Traunstein ihr zu, doch gegen das Urteil legte sie Rechtsmittel ein - ebenso wie das Hundebesitzer-Ehepaar. Und auch nach zehn Jahren gibt es in dem Fall noch keine Entscheidung.
Das Oberlandesgericht (OLG) München wies die Sache an das Traunsteiner Landgericht zurück. «Das Urteil beruht auf einer unterbliebenen Aufklärung des Sachverhalts», hieß es in der OLG-Entscheidung. «Dies stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, zu dessen Beseitigung die Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme erforderlich sein wird, ohne die das Verfahren nicht entscheidungsreif ist.»
Mitschuld muss geklärt werden
Unter anderem die Frage, ob Bettina S. eine Mitschuld an dem Vorfall trägt, müsse geklärt werden, urteilte das OLG. Denn darauf kommt es im Zweifel an, wie der auf Tierrecht spezialisierte Mainzer Rechtsanwalt Andreas Ackenheil sagt.
Sobald jemand eingreift in eine Auseinandersetzung mit einem Hund, bringe er sich ja unter Umständen auch selbst in Gefahr. Sie habe nicht eingegriffen, betont Bettina S. - die Auseinandersetzung sei vorbei gewesen, sie habe den anderen Hund getröstet. Die Anwälte der Beklagten wollten sich auf Anfrage nicht zu dem Fall äußern.
Geschädigte fordert ungewöhnlich hohe Summe
«Das ist ein Urteil, das sicher wegweisend ist», sagt Ackenheil - auch wegen der hohen Summe, die im Raum steht. «Bei Pferden kann es durchaus teurer werden, aber bei Hunden ist man im Bereich zwischen 20.000 und 30.000 Euro eigentlich schon ganz gut dabei.»
Er glaubt, dass die Zahl von Verfahren dieser Art zunehmen wird - auch wegen Corona. Erstens hätten sich während der Pandemie viele Menschen einen Hund zugelegt, ohne sich Gedanken über die Folgen gemacht zu haben. Und zweitens sei der Ton rauer geworden: «Der gesellschaftliche Wandel, das Haten im Internet - die Hemmschwelle der Personen ist geringer und der Umgang miteinander rauer geworden.» Und das gelte eben auch dann, wenn Hundebesitzer mit ihren Tieren aufeinander treffen.
Hundehaftpflichtversicherung zahlt nicht sofort
In Bayern gilt nach Angaben Ackenheils nur eine Versicherungspflicht für Hunderassen, die als gefährlich gelten - also für Kampfhunde oder gefährlich eingestufte Hunde. Die Haftpflichtversicherung muss eine Versicherungssumme von mindestens einer Million Euro für Personenschäden und von mindestens 250.000 Euro für Sachschäden umfassen, sagt der Anwalt.
Auch das Ehepaar, das Bettina S. verklagt hat, hat nach OLG-Angaben eine solche Versicherung. Allerdings gibt es bei Hundehaftpflichtversicherungen keinen Direktanspruch. Sie greift also erst dann, wenn der Hundehalter zu einer Zahlung verpflichtet wurde und dieser nicht grob fahrlässig gehandelt hat.
Für Bettina S. heißt es daher: weiter warten. «Ich habe schon zehn Jahre gewartet», sagte sie der dpa. «Und jetzt werden es, wenn es schlecht läuft, nochmal sieben Jahre.»