Zweifel und Kritik: Wird die Energiewende zum Wahlkampfthema?
Stand: 18.07.2012
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Berlin - Die Energiewende ist keine rein politische Entscheidung: Die breite deutsche Bevölkerung steht dahinter. Deshalb darf das Projekt nicht öffentlich von der Regierung in Frage gestellt werden. Doch es droht die Gefahr, dass die Energiewende zum Wahlkampfthema wird.
Im Bundesumweltministerium wappnen sie sich schon für den Kampf um die Energiewende. Diverse Studien zur Entwicklung des Strompreises und der Förderkosten erneuerbarer Energien sind in Auftrag gegeben worden, um für den 15. Oktober ausreichend mit Argumenten munitioniert zu sein. Dann wird die von allen Bürgern über den Strompreis zu zahlende Umlage zur Förderung von Sonnen- und Windstrom bekanntgegeben. Sie könnte drastisch steigen - trotz anderslautender Vorgaben von Kanzlerin Angela Merkel vor einem Jahr.
Daher fürchtet man im Hause von Umweltminister Peter Altmaier (CDU) Attacken auf die Energiewende und ihre Kosten, wenngleich Bürger es zum Teil auch selbst in der Hand haben. Noch zu wenige vergleichen die Preise und machen vom Anbieterwechsel Gebrauch. Aber seit Jahren, schon lange vor der Energiewende, steigende Energiekosten verschärfen zunehmend auch das soziale Problem.
Rösler kein großer Freund der Wende
Oft bleibt aber unbeachtet, dass die Strompreise seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) weit stärker gestiegen sind als die Ökoenergie-Förderkosten - die Versorger nutzen solche Erhöhungen aber gern für besonders satte Aufschläge. Der frühere Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) lieferte sich hierüber einen öffentlichen Streit mit seinem Energieversorger Rheinenergie.
Was am 15. Oktober wohl Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sagen wird? Er falle bisher nicht als großer Freund der Energiewende auf, meint die Opposition. Sie tituliert ihn als Blockierer und Arbeitsverweigerer. Am Dienstag betonte Rösler, man brauche das richtige Augenmaß bei der Energiewende: "Wir müssen nachsteuern, wenn Jobs und unsere Wettbewerbsfähigkeit bedroht sein sollten."
Nicht alle Vorhersagen treffen ein
Die jüngste Debatte ausgelöst hat ungewollt Bundesumweltminister Altmaier, als er erstmals offen eines der vielen Ziele infrage gestellt hatte, nämlich den Stromverbrauch im Vergleich zu 2008 bis 2020 um 10 Prozent zu senken. Er kann die Aufregung nicht verstehen. Am Dienstag, nach Abschluss des Petersberger Klimadialogs, betonte er: "Ich habe, seit ich Minister bin, mindestens 100 Mal erklärt, dass es meine Aufgabe ist, diese Energiewende zum Erfolg zu führen."
In seinem langen politischen Leben habe er aber oft erfahren müssen, dass nicht alle Vorhersagen eintreffen - süffisant erinnert er an Kanzler Gerhard Schröder (SPD), der einst die Arbeitslosigkeit halbieren wollte. Daher müsse man frühzeitig wissen, "wo wir stehen, wo wir nachsteuern müssen", sagt Altmaier. "Man kann nicht erwarten, dass wir 2019 auf einen Schlag den Stromverbrauch um 10 Prozent zu senken", sagt er. Anders als Rösler betont er stärker die Chancen als die Gefahren. Er hofft, dass es durch die Energiewende mehr statt weniger Arbeitsplätze in Deutschland geben wird.
Bezahlbar, sicher, umweltfreundlich
Klar war, dass das energiepolitische "Zieldreieck" aus Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit" nicht einfach miteinander in Einklang zu bringen sein würde. Das Problem ist die fehlende Steuerung, hier ist viel Zeit verstrichen. Wenn alle 16 Länder weiter willkürlich Wind- und Solarparks bauen, weiß niemand, wo wie viele Kilometer an neuen Stromnetzen gebraucht werden, wie hoch die Kosten sein werden und wo Gaskraftwerke gebaut werden sollen, die bei wenig Wind und Sonne Strom liefern.
Ein Manko ist aber auch der bisher fehlende Konsens mit der Opposition, den gab es nur beim Abschalten der Atomkraftwerke. Der Minister lässt die Frage unbeantwortet, ob es ein Fehler war, nicht auch die Energiewende gleich im Konsens zu gestalten. Er will diesen bis Ende des Jahres nachholen. Altmaiers Hinweise auf Defizite nutzen SPD und Grüne, auf die Regierung einzuschlagen, wobei in den letzten Wochen auch einiges auf den Weg gebracht worden ist: Beschleunigung der Netzanbindung von See-Windparks, Kürzung der Solarförderung und ein Plan für den bundesweiten Stromnetzausbau.
Scharfe Kritik von der Opposition
"Die Energiewende der Koalition besteht bisher aus reiner Ankündigungspolitik", kritisiert SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier meint: "Es ist unverantwortlich, wie diese Bundesregierung unter Frau Merkel in einem überlebenswichtigen Politikfeld die Zukunft dieses Landes aufs Spiel setzt". Und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin betont: "Wirtschaftsminister Rösler wird nur aktiv, wenn er in Deutschland und Europa gegen Klimaschutz und Energiewende blockieren kann".
Altmaier warnt eindringlich davor, das als Gemeinschaftswerk geplante Mammutprojekt zum Wahlkampfthema zu machen. Die Bürger wollten die Energiewende: "Alle diejenigen schneiden sich in den Finger, die daraus ein kontroverses Streitthema machen wollen."