Zweifel an Rechtssicherheit des Atomgesetzes
Stand: 08.06.2011
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Berlin - Obwohl die Regierung versucht zu beschwichtigen, mehren sich die Zweifel, ob der Abschaltplan beim Atomausstieg bis zum Jahr 2022 rechtmäßig ist. Einige Experten sehen es als Einladung zur Klage weil unklar sei, warum acht AKW auf einen Streich dichtgemacht werden. Die Regierung gibt sich jedoch gelassen und sieht die Drohungen der Energiekonzerne entspannt.
"Ich habe selten so etwas Schlechtes gesehen von der Gesetzestechnik her", sagte der langjährige Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium, Wolfgang Renneberg, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.
In einer Expertenanhörung des Bundestags-Umweltausschusses betonte Renneberg, es gebe in dem Gesetz keine Begründung für die Ungleichbehandlung der Anlagen, von denen acht sofort stillgelegt werden, die neun restlichen stufenweise bis 2022.
Juristen hegen Bedenken
Bei den Bedenken auch mehrerer Juristen geht es um zwei Dinge: Zum einen die nicht ganz klare Begründung für die Abschaltung einzelner Anlagen; zum anderem, dass zugestandene Reststrommengen bis zum Abschaltdatum womöglich nicht verbraucht werden können. Dies könnte als Eingriff in Eigentumsrechte gewertet werden.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hält den Atomausstieg der Bundesregierung indes für rechtlich nicht angreifbar. "Mit der flexiblen Übertragung der Reststrommengen sind die Eigentumsrechte der Kraftwerksbetreiber gewahrt", sagte die FDP-Politikerin dem "Münchner Merkur". "Das war unser Ziel. Das Bundesumweltministerium hat die fachliche Grundlage für die Energiewende entwickelt. Wir haben als Koalitionspartner auf eine verfassungsrechtlich vertretbare Ausgestaltung geachtet."
Aber auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner kritisierte zuletzt den stufenweisen Abschaltplan und wies die Verantwortung für mögliche Klagen und Entschädigungen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer zu. SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber stellte eine Zustimmung der SPD zum jetzigen Entwurf etwas infrage: "Ich habe Zweifel, ob das ein gut gemachtes Gesetz ist." Die SPD werde das genau prüfen und erst dann entscheiden. Eventuell wäre es besser, pro Meiler feste Laufzeiten von 30 Jahren festzulegen, sagte Kelber.
Ungleichbehandlung der AKW
Renneberg betonte, die ungleiche Behandlung der Anlagen könne durch die von der Regierung erlaubte Restrommengenübertragung von alten auf neue Anlagen nur bedingt ausgeglichen werden. Daher sei es sinnvoller, feste und gleich lange Betriebszeiten für alle Meiler festzulegen. Weil sie meist in unterschiedlichen Jahren ans Netz gegangen sind, wäre so auch eine gestaffelte Abschaltung garantiert.
"Einzelne Anlagen werden durch das Gesetz völlig unterschiedlich behandelt", sagte Renneberg mit Blick etwa auf die baugleichen Meiler Gundremmingen B und C, von denen nun aber Block B bereits 2017 und Block C erst 2021 vom Netz gehen soll.
Kritik von Seiten der Energiekonzerne
RWE monierte diese Ungleichbehandlung auch in einem Schreiben an Merkel. In der Begründung für die Abschaltung wird in der Novelle des Atomgesetzes der Bericht der Reaktorsicherheitskommission (RSK) zwar explizit erwähnt, dieser jedoch hatte aber nicht eine Abschaltung von Kernkraftwerken empfohlen.
Der größte deutsche Energiekonzern E.ON sieht durch den Ausstieg Milliardenschäden auf sich zukommen und fordert von der Regierung eine Entschädigung. "Wir werden diese Schäden konkret beziffern", sagte der Vorstand der E.ON Energie, Ingo Luge, im Umweltausschuss. Man erwarte eine Kompensation für die Vermögensschäden und wolle mit der Regierung darüber reden, "um juristische Schritte zu vermeiden".
Die Regierung habe eine Unterscheidung zwischen alten und neuen Kernkraftwerken unternommen, "obwohl das sicherheitstechnisch nicht belegt werden kann". Die Beschlüsse der Regierung seien enttäuschend. Luge kritisierte zudem, dass die Kernbrennstoffsteuer beibehalten werde, obwohl Zusatzerträge wegfallen würden. Dagegen werde E.ON aus europa- und verfassungsrechtlichen Gründen klagen.
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