Mainz/Magdeburg (dpa/sa) - Dieter Krämer redet sich in Rage. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Landschaftsschutz aus Hamm-Sieg läuft Sturm gegen Windkraftanlagen: "Sie verschandeln nur die Landschaft und nutzen nichts beim Klimaschutz!" Die riesigen Windräder sind mittlerweile zu seinem Spezialgebiet geworden. Akribisch sammelt er Studien über ihre Leistungsfähigkeit, Berichte über Unfälle und Stimmen von Betroffenen. "Fast täglich kommen neue Menschen zu uns, die etwas gegen Anlagen in ihrer Nähe unternehmen wollen", sagt er.
Die Zunahme von Bürgerinitiativen gegen die modernen Windmühlen ergibt sich aus der hohen Zahl der
Windkraftanlagen: 14 653 von ihnen bundesweit liefern insgesamt rechnerisch 13 400 Megawatt Leistung - damit ist Deutschland absolut gesehen Weltmeister der Windkraft. Ein Grossteil dieser Anlagen steht in Norddeutschland, doch auch im Süden wird der Wind zunehmend genutzt. Allein in Rheinland-Pfalz sind laut Wirtschaftsministerium in Mainz 617 Anlagen in Betrieb (Stand April 2003) und viele weitere Errichtungen geplant. Deswegen haben viele Bürger Sorgen, dass sich auch in ihrer Nähe bald Rotoren drehen und wehren sich - wie derzeit in der Hunsrück-Gemeinde Schnellbach.
Ihre Angst ist nach Ansicht von Krämer berechtigt. Rotorflügel seien schon von drehenden Windrädern abgebrochen und wie Geschosse durch die Luft geflogen, sagt er. Im Winter könnten Regen und Schnee auf den Rotorblättern zu Eisbrocken gefrieren, die laut Krämer bis zu 300 Meter weit weggeschleudert werden. "Hier werden Verletzungen von Menschen billigend in Kauf genommen", beklagt der Vorsitzende. Zusätzlich belästigten Lärm und Schattenwurf der Anlagen viele Anwohner. Der Wert von Immobilien in deren Nähe sinke um ein Drittel.
Neben diesen Risiken hält Krämer die Windkraftanlagen für ökologischen Unsinn. Sie würden pro Jahr allein eine Million Vögel töten und hätten keinen Energie-Vorteil, da ihre Produktionsleistung Windschwankungen unterliege. Deshalb müssten normale
Kohlekraftwerke in Bereitschaft bleiben, um bei Flaute einzuspringen. Dieser zusätzliche Bereitschaftsdienst verbrauche so viel Energie, dass er die Stromproduktion der Windkraftanlagen aufhebe. "Das ist ein einziges Nullsummenspiel.", ereifert sich Krämer.
Ralf Bischof vom Bundesverband
Windenergie (Osnabrück) widerspricht nicht nur dieser These. Unerwartete Ausfällen seien wegen genauer Windvorhersagen selten, der Mehrverbrauch der Bereitschaftskraftwerke gering. "Das schmälert den Ertrag aus der Windenergie maximal um wenige Prozentpunkte", erläutert er. Die Windnutzung lohne sich: eine einzige moderne Anlage bringe bei gutem Wind 1,5 Megawatt Leistung, womit etwa 1000 Haushalte versorgt werden könnten. Statistisch beliefe sich die Vollauslastung pro Jahr und Anlage auf 2000 Stunden.
Das grösste Windrad Deutschlands steht laut Bischof nahe Magdeburg, hat eine Gesamthöhe von 150 Metern und 112 Meter Rotordurchmesser. Selbst diese riesigen Rotorblätter seien aber keine erhöhte Gefahr für Vögel. "Studien haben gezeigt, dass an eine Anlage nicht mehr oder weniger Vögel fliegen als an ein normales Hochhaus auch", sagt Bischof. Die Gefahr für Menschen sei ebenfalls gering. Denn die Anlagen müssten aus Lärmschutzgründen immer etwa 500 Meter von bewohnten Gebieten entfernt sein. Dieser Abstand schütze Häuser und Menschen vor weggeschleuderten Eisbrocken oder bei Unfällen umherfliegenden Rotorteilen. Der Eisabwurf werde auch mit Sensoren bekämpft, die eine Anlage bei Eisbildung sofort abschalten sollten.
Das sei sehr wirksam, so haben Windkraftanlagen laut Bischof im normalen Betrieb weltweit noch keinen einzigen
Todesfall verursacht. Ein kleines Restrisiko bestehe noch - ein norddeutscher Ingenieur sei bei Wartungsarbeiten ums Leben gekommen. Dieser Einzelfall spreche aber nicht gegen die hohe Sicherheit der Anlagen, die Bischof in den
Versicherungspolicen bestätigt sieht: "Eine Windkraftanlage kostet in der Haftpflichtversicherung weniger als ein gewöhnlicher Dackel."