Windkraftbranche steht vor Chancen und Herausforderungen
Stand: 24.04.2012
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Hamburg/Hannover - Die Solarindustrie in Deutschland geht bereits den Bach runter, nach Einschätzung eines Experten wird die Windkraftindustrie folgen. Doch die Branche gibt sich optimistisch. Als nächstes großes Projekt wollen die Unternehmen den Stromnetzausbau selbst in die Hand nehmen.
Deutschen Windradbauern droht einem Experten zufolge ein ähnlicher Niedergang wie der Solarindustrie. Der Grund liege in der erdrückenden Konkurrenz aus China, lautet die Einschätzung des TÜV Rheinland. "In China wächst eine Windkraftindustrie heran. In der Technologie liegt sie einige Jahre zurück, aber die Produkte sind jetzt schon wirtschaftlich", sagte TÜV-Chef Manfred Bayerlein der "Financial Times Deutschland". Der TÜV Rheinland ist ein großer Zertifizierer von Photovoltaikanlagen und einer der größten Prüfer bei Windkraft.
Bayerlein verweist auf die Photovoltaik. Während deutsche Unternehmen wie Solon, Solar Millennium oder Q-Cells Insolvenz anmelden mussten, hat China binnen kaum zehn Jahren eine Branche mit mehr als 400 Unternehmen aufgebaut, darunter Weltmarktführer wie Yingli. "Gute Solarzellen gibt es in Deutschland, aber gute Produkte gibt es auch in China", sagte Bayerlein.
Windräder aus China sind billiger
Die gleiche Entwicklung müsse die Windindustrie fürchten. Heute böten Windräder aus China bis zu rund 1,5 Megawatt Leistung, so Bayerlein. Das ist zwar nur ein Viertel europäischer Spitzenmaschinen - doch machten chinesische Hersteller dies durch geringe Kosten wett. Ihr Markteintritt hat einen Preisverfall ausgelöst, der Firmen wie Vestas oder Nordex in die roten Zahlen gedrückt hat. Seit 2008 sanken die Preise um rund ein Viertel.
Chinesische Hersteller wie Sinovel und Goldwind haben sich bislang auf ihren Heimatmarkt konzentriert. Für ausländische Hersteller ist er weitgehend verschlossen. Repower hat sich bereits zurückgezogen, Nordex sucht einen lokalen Partner. Zuletzt haben die Chinesen viele Auslandsaufträge ergattert. "Selbstverständlich werden die Chinesen bald internationale Player, einige von ihnen sind es schon", sagte Nordex-Chef Jürgen Zeschky der "FTD". Aufträge erhielten sie etwa in Osteuropa und der Türkei, sofern die Finanzierung auch aus China komme.
Netzausbau selbst in die Hand nehmen
Einen Teil des weiterhin stockenden Netzausbaus in Deutschland will die Windkraftbranche in die eigene Hand nehmen und den erneuerbaren Energien so zusätzlichen Schub verleihen. Der Präsident des Bundesverbands Windenergie (BWE), Hermann Albers, forderte die Bundesregierung am Dienstag am Rande der Hannover Messe auf, ein Konzept zur Finanzierung und rechtlichen Absicherung für den Bau sogenannter Einspeisenetze zu entwickeln. Diese lokalen Teilnetze könnten die Stromerzeugung einzelner Anlagen oder Windparks bündeln und Schnittstellen zu den überregionalen Übertragungsnetzen bilden.
Eine im Auftrag des Verbandes erarbeitete Studie der Beratungsfirma Ecofys habe mögliche Einsparpotenziale und eine Beschleunigung des Netzausbaus durch eigene Einspeisenetze der Anlagenbetreiber deutlich gemacht, sagte Albers: "Es gibt nichts Günstigeres, als solche Puffer zu bilden, in denen man das Netz ausbaut." Auch die Akzeptanz in der Bevölkerung lasse sich so verbessern: "Wir gehen davon aus, dass in diesem Bereich überwiegend Erdkabel eingesetzt werden." Grundsätzlich verlaufe der Netzausbau in der Bundesrepublik zu schleppend, etliche Windkraftunternehmen würden bereits darunter leiden: "Ein Jahr nach Fukushima geht es uns nicht unbedingt besser", berichtete Albers.
Mit Blick auf die wachsende Konkurrenz aus China gab sich der BWE-Chef gelassen: "Ich glaube, dass die europäische und deutsche Windindustrie hervorragend aufgestellt ist." Das Vordringen von mittlerweile fünf chinesischen Anbietern unter die weltweiten Top Ten liege vor allem an der imensen Größe des chinesischen Heimatmarktes. "Es ist klar, dass die Chinesen da ihre Stärken ausspielen."