Waidhaus - Zwei Wochen lang blickte die Republik gespannt auf das kleine Waidhaus. In der 2400-Seelen-Gemeinde an der bayerisch-tschechischen Grenze kommen insgesamt drei Gas-Pipelines an, die normalerweise den kostbaren Rohstoff aus dem fernen Sibirien in die Bundesrepublik transportieren. Doch während des jüngsten Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine erreichte die Gemeinde nur noch ein kleiner Teil des üblicherweise transportierten Gases. Mittlerweile sei es aber wieder die normale Menge, berichtete der technische Leiter Thomas Penzl. Die Anlagen liefen nun wieder ohne Einschränkungen.
Waidhaus ist nicht nur für die
Gasversorgung Deutschlands von Bedeutung, auch mehrere andere westeuropäische Länder beziehen über diese Schnittstelle russisches Erdgas. Die Gasstation in der Oberpfalz bekommt in 90 bis 120 Zentimeter dicken Rohren rund 80 Prozent des Erdgases, das Deutschlands größter Importeur
E.ON Ruhrgas aus Russland bezieht. Der russische Gasmonopolist Gazprom liefert insgesamt mehr als ein Drittel des in Deutschland verbrauchten Gases.
Einmal in Waidhaus angekommen, muss das Gas zunächst verdichtet werden, das erhöht seinen Druck. Schließlich wird es in ganz Süddeutschland verteilt und beispielsweise auch nach Frankreich weitertransportiert. Auf den langen Wegen zu den Verbrauchern würde das
Gas sonst immer mehr an Geschwindigkeit verlieren. Penzl vergleicht dies mit einem Gartenschlauch: "Je länger der Schlauch wird, desto geringer wird der Druck." So sei es auch beim Erdgas. "In der
Pipeline wird das Gas gebremst, wir geben ihm wieder neuen Schwung", berichtet der Chef der E.ON-Station.
Insgesamt acht Verdichteranlagen sind derzeit in Waidhaus in Betrieb, überwacht und ferngesteuert von der 600 Kilometer entfernten E.ON-Ruhrgas-Zentrale in Essen. Derzeit wird eine weitere Anlage gebaut, so dass in den nächsten Monaten die Kapazität der Waidhauser Station noch einmal steigen wird. Als Motor für die modernen Verdichter dienen dabei Flugzeugturbinen, die sonst große Passagiermaschinen in die Luft befördern.
Wenn das Gas Bayern erreicht, hat es einen Druck von 50 Bar, beim Verlassen der Anlagen geht es mit bis zu 84 Bar gen Westen. Bevor der Rohstoff die Bundesrepublik erreicht, hat das Gas bereits einen mehr als 6000 Kilometer langen Weg hinter sich. Es ist auf dieser Strecke etwa zehn Tage unterwegs", erläutert Penzl. Pro Stunde können in Waidhaus maximal 3,8 Millionen Kubikmeter Gas verdichtet werden - damit könnten mehr als 1200 Haushalte ein Jahr lang mit
Energie versorgt werden.
Verdichtet wird aber nicht nur Gas, das über die Ukraine kommt. Denn ein Teil des Erdgases kommt über eine nördliche Leitung, die die Ukraine nicht durchquert und zunächst bei Frankfurt (Oder) in Deutschland ankommt. An diesen Transportweg ist Waidhaus über eine Pipeline, die über den Raum Dresden und dann über Tschechien verläuft, ebenfalls angeschlossen. "Wir haben daher in den ganzen 14 Tagen trotzdem Gas transportiert, aber in geringeren Mengen", erklärt Penzl.
Bereits seit 1973 wird in Waidhaus russisches Gas umgeschlagen. Zu Sowjet-Zeiten gab es trotz des Kalten Krieges mit all seinen politischen Spannungen nie Probleme am damaligen Eisernen Vorhang. Erst vor drei Jahren blieb beim ersten Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine ein Teil der vereinbarten Liefermenge aus, allerdings nur für ein paar Tage. Ungeachtet des mittlerweile beigelegten Disputs soll Waidhaus auf noch für sehr lange Zeit Umschlagplatz für russisches Gas bleiben. Die Verträge zwischen E.ON und Gazprom reichen bis ins Jahr 2035.