Vorwürfe wegen Marktmissbrauch an Strombörse
Stand: 12.03.2007
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Hamburg (dpa) - Die deutschen Energiekonzerne stehen nach Vorwürfen der Preismanipulationen an der Strombörse erneut in der Kritik. Der Bund der Energieverbraucher warf den Stromkonzernen in der "Bild"-Zeitung (Montag) Preistreiberei vor, nach dem das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" unter Berufung auf geheime Handelsdaten der EEX berichtet hatte, dass die großen Energiekonzerne die Preise an der Strombörse hochtreiben können. Die Leipziger Energiebörse EEX wollte sich am Montag nicht zu den Berichten äußern und lud stattdessen für Dienstag zu einer Pressekonferenz ein.
"Aus den Daten - die laut der Strafanzeige der EEX wegen des Verrats von Betriebsgeheimnissen echt sind - geht hervor, dass allein RWE 2006 für fast 28 Prozent des gesamten Nettostromeinkaufes verantwortlich ist", schrieb "Der Spiegel" unter Berufung auf Daten, die ein Unbekannter als E-Mail verschickte habe. Der anonyme Verfasser der E- Mail vermute, dass der Konzern so den Preis in die Höhe getrieben hat, um dann im Telefonhandel viel größere Volumina zu dem künstlich angehobenen Preis zu verkaufen. RWE-Vorstandschef Harry Roels hatte bereits Ende Februar Anschuldigungen, dass RWE den Strompreis künstlich nach oben treibe, als "völlig haltlos" zurückgewiesen.
Ein Sprecher des Karlsruher Konzerns EnBW sagte am Montag, "wir sind bekanntermaßen Zukäufer an der Energiebörse". Ein Drittel des abgesetzten Stroms müsse der Karlsruher Konzern zukaufen. "Wir haben selbst Interesse an günstigem Strom, da wir Käufer sind."
Nach einem im Januar vorgelegten Gutachten der TU Dresden waren die Preise an der Leipziger Strombörse zwischen 2005 und Juni 2006 zwischen 20 und 30 Prozent über dem Niveau, das bei vollem Wettbewerb herrschen würde. Das Gutachten kam zu dem Schluss, dass die vier großen Stromkonzerne E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall mit überhöhten Großhandelspreisen ihre Marktmacht missbrauchen. EEX-Chef Hans-Bernd Menzel hat dies immer wieder bestritten und auf die große Anzahl internationaler Handelsteilnehmer verwiesen. An der EEX handeln aktuell 161 Teilnehmer aus 19 Ländern.
Der Präsident des Bundes der Energieverbraucher Aribert Peters bezeichnete die Preispolitik der Konzerne "als Freibeuterei zu Lasten der Verbraucher." Privathaushalte und Industrieunternehmen zahlten auf Grund überteuerter Handelspreise an der Börse für jede Kilowattstunde Strom drei Cent zu viel. Ein Musterhaushalt mit 3500 Kilowattstunden Jahresverbrauch und einer Stromrechnung von 700 Euro im Jahr zahle damit 105 Euro jährlich zu viel.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat sich erneut für mehr Wettbewerb und Transparenz ausgesprochen. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sehe Handlungsbedarf auf dem Stromerzeugungsmarkt, sagte eine Sprecherin am Montag in Berlin. Glos arbeitet derzeit an einer Verschärfung des Kartellrechts, damit das Bundeskartellamt die Preise der Stromkonzerne genauer unter die Lupe nehmen kann.
Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) forderte den Staat auf, die Stromsteuer zu halbieren. "Das allein würde die privaten Stromrechnungen pro Haushalt um rund sechs Prozent oder 35 Euro im Jahr senken". Die Senkung könnte mit der Versteigerung der CO2- Verschmutzungszertifikate gegenfinanziert werden. Außerdem forderte er erneut schärfere Gesetze, um mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt zu erzwingen. "Notfalls muss der Staat das Preistreiber-Quartett der Stromerzeuger auflösen können", meinte Rhiel mit Blick auf die großen Anbieter E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW.