Vorgänge in der Asse werden vermutlich nie aufgeklärt
Stand: 04.11.2009
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Hannover - Um den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Niedersachsen zum Atommülllager Asse ist es still geworden. Zwar befragt das Gremium noch immer fast wöchentlich Zeugen. Doch kommen fast kaum noch neue Erkenntnisse ans Licht, die die Öffentlichkeit besonders zur Kenntnis nähme. Selbst bei Optimisten wachsen die Zweifel, dass der Ausschuss des niedersächsischen Landtags jemals restlos aufklären kann, wie es zu den zahlreichen Pannen und Unfällen in dem maroden Bergwerk bei Wolfenbüttel kommen konnte. Einer der Gründe ist paradoxerweise nicht ein Mangel an Informationen, sondern ein Überfluss.
Bisher liegen dem Ausschuss an die 2000 Akten vor, die in einem Nebengebäude des Landtags bereits mehrere Meter Regalwand füllen. Ausschussmitglieder sprechen schon jetzt von einer "gewaltigen Dimension von Papier", die im Grunde kein noch so fleißiger Ausschuss-Obmann mit seiner Handvoll an Mitarbeitern abarbeiten könne. Zudem steht die Lieferung weiterer Aktenberge noch aus, darunter vom Landesumweltministerium sowie mehreren Bundesministerien einschließlich des Bundeskanzleramts und weiteren acht Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen.
Darüber hinaus erweist sich mittlerweile der umfassende Untersuchungsauftrag, den der Landtag im Juni beschlossen hatte, als weiteres "Problem", wie es ein Mitglied des Ausschusses formuliert. Unter die fünf großen Themenkomplexe - darunter fällt die Ermittlung des radioaktiven Inventars und die Frage, warum ausgerechnet die Asse als Lager für Atommüll ausgewählt wurde - sind nicht weniger als 52 Einzelfragen mit diversen Unterfragen gefasst. Gegenstand der Untersuchungen ist ein Zeitraum von gut 50 Jahren. Damit handelt es sich wohl um den umfangreichsten Untersuchungsauftrag, den ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss in Deutschland je hatte.
Selbst vorsichtige Prognosen gehen daher davon aus, dass das Gremium seine Arbeit nicht vor dem Spätherbst 2010 abschließen wird. Bislang hat der Ausschuss, der sich im Juni konstituierte, in 21 Sitzungen immerhin schon 26 Zeugen und Sachverständige gehört. Damit nähert man sich bereits den Dimensionen des Untersuchungsausschusses zum Transrapid-Unglück im Jahr 2006 an, wo in 30 Sitzungen 35 Zeugen vernommen wurden. Der Asse-Ausschuss wird diesen Umfang bei weitem übertreffen. Schon jetzt sind 30 weitere Zeugen benannt, außerdem ist die Zeugenliste bei weitem noch nicht abgeschlossen. Überdies werden verschiedene Zeugen auch mehrmals gehört werden.
Einer davon ist Klaus Kühn, der am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss aussagen soll. Kühn war Leiter des Bergwerks Asse und hat sich darüber hinaus als "Endlagerpapst" einen Namen gemacht. Kühn galt lange als der Experte für die Endlagerung von Atommüll. Immer, wenn im vergangenen Jahrhundert international darüber diskutiert wurde, war Kühn ein gefragter Mann. So saß er nach Angaben der Grünen-Fraktion in Endlagergremien in Japan, Schweden, den USA und anderen Industrieländern, die die Kernenergie zivil nutzen. Und berichtete über die Erfahrungen der Einlagerung von Atommüll im Salzstock Asse.
Dass Kühn aus dem Nähkästchen plaudert und die Wende in die festgefahrenen Asse-Untersuchungen bringt, erwartet dennoch niemand. "Es wäre verhängnisvoll, wenn dieser GAU der Atommülllagerung nicht aufgeklärt wird. Was uns fehlt, ist ein wirklicher Kronzeuge, einer, der wirklich mal mehr über die Hintergründe des Desasters erzählt", sagt Grünen-Obmann Stefan Wenzel. Kühn hätte das Wissen, aber im Moment sei nicht zu erwarten, dass er auspacke. Wenzel erwartet, dass der Asse-Untersuchungsausschuss am Ende wohl ein "Lehrstück" sein werde - ein Lehrstück über die "Grenzen der Aufklärung" über einen dicht verwobenen "atomaren industriell-politischen Komplex" viele Meter unter Tage.