Vattenfall will Stromnetz verkaufen - Dämpfer für Regierung
Stand: 25.07.2008
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Berlin (dpa) - Nach Deutschlands größtem Energiekonzern E.ON hat auch die Nummer vier Vattenfall den Verkauf seiner Stromautobahnen angekündigt. Die deutsche Tochter des schwedischen Staatskonzerns begründete dies am Freitag mit dem zunehmenden politischen Druck auf die Versorger. Der Vorstandschef von Vattenfall Europe, Tuomo Hatakka, will bereits in den nächsten Tagen Kontakt zu Investoren aufnehmen. Der Wert des Netzes wird in der Branche auf bis zu eine Milliarde Euro geschätzt.
Deutschland hatte aber kürzlich mit Frankreich und anderen EU-Ländern eine zwangsweise Trennung von Produktion und Leitungsnetzen verhindert. Jetzt schaffen die Stromriesen selbst Fakten und bieten ihre Netze, die zu niedrigere Renditen bringen, zum Verkauf an. Der Vattenfall-Plan gilt in der Branche deshalb als weiterer Dämpfer für die Regierung. Deren Position gegenüber Brüssel bei der Neuordnung der Energiemärkte werde geschwächt.
Vattenfalls Stromautobahnen im Norden und Osten Deutschlands sind rund 9500 Kilometer lang und sichern die wichtige Verbindung von Europas größtem Strommarkt nach Dänemark, Polen und Tschechien. Hatakka sagte: "Wir haben in den vergangenen Monaten intensiv alle Optionen geprüft und sind zu dem Schluss gekommen, dass ein Verkauf unseres Höchstspannungsnetzes an einen seriösen und finanzstarken Investor eine sinnvolle Lösung sein könnte."
Vattenfall will den Verkauf spätestens in der ersten Jahreshälfte 2009 über die Bühne bringen. Dazu soll "einer kleineren Anzahl von Bietern" Einblick in die Bücher der Vattenfall Europe Transmission GmbH gewährt werden. Die Netztochter hat rund 500 Mitarbeiter und kommt auf 3,3 Milliarden Euro Umsatz. Ein möglicher Käufer müsse langfristig orientiert sein und die Investitionen in den Netzausbau garantieren. Der Chef des schwedischen Mutterkonzerns, Lars Göran Josefsson, ist Energie-Berater von Kanzlerin Angela Merkel.
Die Bundesregierung wies den Eindruck zurück, nach E.ON und RWE falle auch Vattenfall der Politik in den Rücken. Im Übrigen sei es allein Sache der Unternehmen, ob sie sich von ihrem Netzeigentum trennen wollten, sagte der Sprecher von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), Steffen Moritz.
Um drohenden Milliardenstrafen zu entgehen, wollen E.ON und RWE sich dem Druck von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes beugen. RWE kündigte zuletzt an, einen Teil seines Gasnetzes abzugeben. Die Essener wollen aber wie der drittgrößte Versorger EnBW ihr Stromnetz behalten. E.ON will wie Vattenfall sein Strom-Hochspannungsnetz verkaufen.
Kroes hatte belastendes Material gegen E.ON und RWE gesammelt, die Konkurrenten behindert und ihre Marktmacht missbraucht haben sollen. Ein Sprecher der EU-Kommission wollte sich zur Frage, ob auch ein Kartellverfahren gegen Vattenfall gedroht habe, am Freitag nicht äußern. Vattenfall verneinte dies. "Die Entscheidung potenzielle Investoren anzusprechen, ist rein unternehmerischer Natur", sagte Konzernsprecher Steffen Herrmann.
Der Vorstoß von Vattenfall dürfte die Spekulationen über den Aufbau einer "Deutschen Netz AG" beflügeln, in die E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall ihre Übertragungsnetze einbringen sollen. Diesen Plan hatte E.ON-Chef Wulf Bernotat ins Spiel gebracht. Fraglich ist, ob angesichts der weltweiten Finanzkrise Investoren das nötige Kapital aufbringen können, um den Konzernen die Milliardenwerte auszuzahlen. Die Bundesregierung schloss eine staatliche Beteiligung bereits aus.