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Vattenfall testet CO2-fressende Algen in Braunkohlekraftwerk

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: AFP

Senftenberg - Mit einem trägen Blubbern steigen Blasen in der trüben dunkelgrünen Algenbrühe auf. Was in seinem Swimmingpool niemand haben möchte, könnte zukünftig jedoch die Hoffnung der deutschen Stromkonzerne werden. Scenedesmus obliquus heißt die Grünalge, mit der der Energiekonzern Vattenfall im Algenreaktor des Braunkohlekraftwerks Senftenberg experimentiert. Seit Donnerstag wird in der Anlage in Brandenburg getestet, ob sich die Abgase des Kraftwerks vom Kostenfaktor zur Geldquelle umwandeln lassen.

Für das Treibhausgases CO2, das Stromerzeuger in die Luft blasen, müssen sie künftig immer mehr Emissionszertifikate erwerben. Gelingt es, dass künftig Algen einen Teil des Klimakillers fressen, könnte daraus ein Milliardengeschäft werden.

Die 28-jährige Biotechnologin Janin Thiele nimmt gerade eine Probe aus dem Algenreaktor. Mit einer Kanüle sticht sie in eine Gummi-Membran des etwa 2,50 Meter hohen Algenreaktors, der einem überdimensionalen flachen Heizkörper aus Glas gleicht. Die Probenspritze füllt sich rasch mit der Algensuppe, die bei sommerlichen Temperaturen und Sonnenschein beste Wachstumsbedingungen vorfindet. Noch fühlt sich sich unter den Kraftwerkern als Exot.

Ihr Job ist es, in einem zunächst eineinhalbjährigen Pilotprojekt zu ergründen, ob die Algen mit den ungefilterten Kraftwerks-Abgasen zurechtkommen, die neben dem Klimakiller etwa auch Schwefel oder Schwermetalle enthält. Bislang zeigen sich die Algen in guter Verfassung: In den in etwa drei Metern Höhe aufgehängten schmalen senkrechten Tanks wachsen die Grünalgen derart rasch, dass aus der einst klaren Flüssigkeit längst eine dunkelgrüne Suppe geworden ist.

Der Algenreaktor nutzt die seit langem bekannten Gesetze der Photosynthese: Pflanzen nehmen Kohlendioxid auf und wandeln sie mit Hilfe von Licht zu Biomasse. Der Vorteil von Algen besteht darin, dass sie im gleichen Zeitraum etwa zehnmal so viel Ertrag bringen und CO2 binden wie Pflanzen, die an Land wachsen. Für Algen gibt es zahlreiche Nutzungsmöglichkeiten. Man kann sie als Grundstoff für die Lebensmittel- sowie Kosmetikindustrie verwenden, als Energieträger trocknen und verbrennen oder zu Biosprit für Flugzeuge umwandeln. Triebwerkshersteller und Airlines testen Algentreibstoff bereits, auch wenn bislang nur geringe Mengen zur Verfügung stehen.

Für Janin Thiele schließt sich mit der grünen Mission zugunsten der Braunkohle ein Kreis. Ihr Vater arbeitete einst in dem als Dreckschleuder verrufenen DDR-Kraftwerk Vetschau. Das Braunkohlekraftwerk ist längst geschlossen, doch Algen könnten der umstrittenen Braunkohleverstromung eine neue Perspektive bereiten. Alle großen Stromkonzerne testen deshalb mit unterschiedlichen Techniken Algen auf ihre Tauglichkeit. Sollen sie aber einmal die gesamten Treibhausgase aufnehmen, die in ostdeutschen Braunkohlekraftwerken in die Luft geblasen werden, müssten in den von Abwanderung geplagten Landstrichen wahrscheinlich quadratkilometergroße Algenreaktoren entstehen.

Die Biomasse wäre anders als das Treibhausgas unkritisch und möglicherweise sogar gewinnbringend verwertbar. Und anders als bei der geplanten Verpressung von Treibhausgas in Hohlräume unter die Erde ist auch kaum politischer Widerstand gegen Bioreaktoren zu erwarten. Ob und wann es dazu kommt, ist indes noch offen - Forschungsergebnisse werden in Senftenberg frühestens Ende 2011 erwartet.