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Variable Stromtarife erleben nur schleppenden Start

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: AFP

Berlin - Bisher ist es meist egal, wann sich die Stromzähler der meisten deutschen Verbraucher drehen, denn jede Kilowattstunde kostet gleich viel. Doch in Zukunft könnte es wesentlich variablere Tarife geben: beispielsweise Familien-Tarife, bei denen der Strom mittags beim Kochen günstiger ist. Oder Tarife für Studenten, die im Semester billiger sind und in den Ferien teurer. Ein erster Schritt in diese Richtung sollte in diesem Jahr getan werden: Jeder Stromanbieter muss bis zum Jahreswechsel einen Tarif anbieten, der sich variabel an Zeit oder Verbrauch orientiert. Doch passiert ist bisher noch nicht viel.

"Die meisten Versorger reaktivieren Tarife, die sie ohnehin noch in der Schublade haben", sagt Harald Schäffler von der Freiburger Forschungsgruppe EnCT, eine auf variable Tarife spezialisierte Beratungsfirma. Laut einer vorläufigen Auswertung des Tarif-Portals Verivox haben zwar in den großen deutschen Städten die meisten Versorger einen variablen Tarif im Angebot.

Auf den zweiten Blick zeigt sich aber, dass es sich oft um Mogelpackungen handelt - nämlich um Tag- und Nachttarife. Seit den 70er Jahren gibt es diese Tarife, bei denen Verbraucher tagsüber mehr, nachts weniger zahlen. Sie waren in den vergangenen Jahren aber eingestellt oder nicht mehr beworben worden. "Zurzeit betreibt die Branche bei zeitvariablen Tarifen eine Alibipolitik", sagt auch Peter Reese, Leiter Energiewirtschaft bei Verivox.

Einst wurden die Tarife in Tag- und Nachtpreis gesplittet, damit die Versorger den Strom nachts besser loswurden. "Das passt mit der heutigen Zielsetzung aber nicht mehr zusammen", sagt Tarifexperte Schäffler. Heute geht es seinen Angaben zufolge um andere Ziele: Strom aus erneuerbaren Energien, vor allem Wind, steht schwankend zur Verfügung - je nach Windaufkommen. Variable Tarife könnten dafür sorgen, dass viel verbraucht wird, wenn viel Angebot da ist.

Die Bundesnetzagentur, die über die Einführung der neuen Tarife wacht, tut bisher nur wenig, um die Lage zu ändern. "Die Anforderungen des Gesetzes sind nicht besonders hoch", sagt Rainer Warnecke, für Energie zuständiger Sprecher der Bundesnetzagentur. Auch er räumt ein, dass die Anbieter bei den neuen Tarifen wenig kreativ seien. "Wir sind aber keine planwirtschaftliche Behörde", sagt Warnecke. "Die Unternehmen müssen die Innovationen bringen."

Das Problem liegt Experten zufolge schon im Gesetz. Der entsprechende Paragraph schreibt nur einen Tarif vor, der einen Anreiz zu "Energieeinsparung oder Steuerung des Energieverbrauchs" bietet. Dazu gehörten "insbesondere lastvariable oder tageszeitabhängige Tarife". Der Paragraph sei "zu schwammig und ungenau", sagt Tarif-Experte Schäffler. "Deswegen ist bei den Tarifen bis jetzt einfach keine Musik drin." Ausnahmen bestätigen die Regel: Die Stadtwerke Bielefeld haben einen Tarif mit sechs Zeitzonen im Angebot.

So ist die Realität noch weit von der Vision vieler Experten entfernt: Sie träumen davon, wie intelligente Stromtarife künftig Teil einer durchdachten Strom-Umgebung sein könnten. In dieser Vision messen intelligente Stromzähler künftig per Computer, wann Strom billig ist. Der Computer sorgt dann automatisch dafür, dass sich Haushaltsgeräte zur günstigsten Zeit einschalten.

Die meisten Teile dieser Energie-Vision gibt es schon. Erste intelligente Stromzähler sind auf dem Markt. Miele stellte jüngst seine erste Waschmaschine vor, die mit dem Computer verbunden werden kann. Wann die vereinzelten Zähler, Geräte und Tarife sich aber so durchsetzen und verschmelzen, dass sie für den Normal-Verbraucher interessant werden, ist schwer zu sagen. Sicher ist: Bis Jahreswechsel wird es trotz der Pflicht zu neuen Tarifen nichts mehr.