Türkei: Regierungschef droht mit Blockade bei Nabucco-Projekt
Stand: 20.01.2009
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Istanbul - Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat sich bei seinem ersten Besuch bei der EU in Brüssel seit mehr als vier Jahren für eine Beschleunigung der Beitrittsverhandlungen eingesetzt. Er hoffe, dass die Gespräche über einen EU-Beitritt der Türkei 2009 "einen Satz voran" machten, sagte Erdogan am Montag. Als Druckmittel brachte er die geplante Gaspipeline Nabucco ins Gespräch, die durch sein Land führen soll.
Die Beitrittsgespräche hätten in der Türkei eine "große Priorität", sagte Erdogan. Vor türkischen Landsleuten sagte er laut Zeitungsberichten, er hoffe auf die Eröffnung von drei bis vier neuen EU-Verhandlungskapiteln während einer jeweils halbjährigen EU-Ratspräsidentschaft. Bisher seien es nur zwei Kapitel pro Präsidentschaft gewesen.
Die im Oktober 2005 begonnenen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei stocken derzeit. Bislang konnten nur zehn von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln eröffnet werden. Ankara will aber bis Ende 2013 alle Bedingungen für einen EU-Beitritt erfüllen. Insbesondere die Nicht-Anerkennung Zyperns durch die Türkei sowie die nur stockenden demokratischen Reformen im Land lähmen den Prozess. Zudem ist ein Beitritt der Türkei unter den EU-Mitgliedstaaten umstritten.
In jüngster Zeit hatte Erdogan jedoch signalisiert, wieder mehr für den EU-Beitrittsprozess tun zu wollen. So ernannte er seinen außenpolitischen Berater Egemen Bagis zum neuen Verhandlungsführer für die Beitrittsgespräche und gleichzeitig zum ersten türkischen EU-Minister.
Eines der bislang noch nicht eröffneten Verhandlungskapitel beschäftigt sich mit Energiefragen. Insbesondere Zypern hatte hier Bedenken angemeldet. Angesichts dieser Einwände drohte Erdogan in Brüssel, den Bau der rund 3300 Kilometer langen Pipeline Nabucco zu boykottieren. "Wenn wir uns in einer Situation wiederfinden, in der das Energie-Kapitel blockiert wird, werden wir unsere Position noch einmal überdenken", sagte Erdogan mit Blick auf Nabucco. Das Schlüsselprojekt in der europäischen Energiepolitik ermöglicht es, Gas aus dem Kaspischen Meer an Russland vorbei nach Europa zu transportieren und soll die EU damit unabhängiger von Moskau machen.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erteilte nach einem Gespräch mit Erdogan jedoch einer Verknüpfung des Energie-Verhandlungskapitels mit dem Nabucco-Projekt eine Absage. Die Frage der Energiesicherheit werde nicht im Rahmen der Beitrittsverhandlungen diskutiert, sagte Barroso.
Neben Barroso kam Erdogan in Brüssel auch mit dem deutschen Europaparlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering (CDU) zusammen. Dieser hatte sich bereits im Vorfeld des Besuchs gegen einen Beitritt der Türkei ausgesprochen. Er vertrete die Meinung, dass "eine privilegierte Partnerschaft angemessener wäre als eine Vollmitgliedschaft", sagte Pöttering dem "Hamburger Abendblatt" (Montagausgabe).