Trotz massiver Kritik: Merkel will kein Energieministerium
Stand: 14.05.2012
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Berlin/Eggenstein-Leopoldshafen - Vor allem die deutsche Wirtschaft kritisiert die Regierung für ihre Planlosigkeit bei der Energiewende. Doch Angela Merkel lehnt den Vorschlag eines eigenen Energieministeriums ab. Eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie verdeutlicht das Risiko von Versorgungsengpässen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht trotz Kritik an der Umsetzung der Energiewende vorerst keinen Grund für ein steuerndes Energieministerium. "In dieser Legislaturperiode nicht", sagte Merkel am Montag in Berlin. Die Aufgaben zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium sowie weiteren Ressorts seien verteilt, es bestehe ein klarer Zeitplan. Wichtig sei daneben auch eine enge Kooperation mit den Ländern. Es müsse sich niemand Sorgen um Verzögerungen wegen der Zusammenarbeit in der Regierung machen, sagte die Kanzlerin.
Der baden-württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) befürchtet Engpässe bei der Stromversorgung im Südwesten. Nach dem Abschalten aller deutschen Kernkraftwerke müsse bei der Versorgungssicherheit "mit Fug und Recht von einem Risiko gesprochen werden", sagte BWIHK-Präsident Peter Kulitz am Montag in Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe. Er rief die Bundes- und die baden-württembergische Landesregierung auf, die Versorgung mit Energie zu gewährleisten und auch für international konkurrenzfähige Strompreise zu sorgen.
Der Handelskammertag hatte beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ein Gutachten in Auftrag gegeben mit dem Ziel, die Risiken bei der Stromversorgung bis 2025 zu untersuchen. Zudem sollten darin Vorschläge gemacht werden, wie das Risiko verringert werden kann. Dem Gutachten zufolge könnte in einer Extremsituation im Januar 2025 trotz des Ausbaus der erneuerbaren Energie fast die Hälfte des benötigten Stroms fehlen. Die Lücke könne zwar mit dem Bau neuer Kraftwerke und der Steigerung der Stromimporte aus dem Ausland verringert werden. Weil aber auch Nachbarländer zu Spitzenzeiten große Mengen Strom benötigten, sei fraglich, woher der zusätzliche Strom kommen solle.
IHK fordert Ausbau der Transportnetze
Dem Gutachten zufolge bestehen die größten Probleme nicht beim Ausbau der erneuerbaren Energie. Vielmehr müsste der rechtzeitige Bau und Ausbau von Transport- und Verteilnetzen sowie von Speichermöglichkeiten sichergestellt werden. "Das Gutachten zeigt in aller Deutlichkeit, dass Politik und Wirtschaft vor enormen Herausforderungen stehen, wenn wir die Energiewende erfolgreich bewältigen wollen", betonte Kulitz. Er verwies darauf, dass in baden-württembergischen Unternehmen die Unruhe wachse. "Die Sorge, dass die Risiken der Energiewende unzureichend eingeschätzt werden, ist real und aus aktueller Sicht auch nachvollziehbar", sagte er.
Der Präsident der Karlsruher IHK, Bernd Bechtold, sagte, die Kammern gingen davon aus, dass das Ziel, innerhalb der kommenden acht Jahre 38 Prozent des Stroms mit erneuerbaren Energieträgern zu erzeugen, nicht erreicht werde. Er warf der grün-roten Landesregierung vor, die Augen vor dieser Entwicklung zu verschließen. "Ich bitte um mehr Ehrlichkeit in der Politik, diese Dinge zu erkennen und gemeinsam mit uns Lösungen zu finden", erklärte Bechtold, dessen Kammer bei den IHKs im Südwesten federführend beim Thema Energie ist.
Er verwies darauf, dass es "eher unwahrscheinlich" sei, dass im Südwesten bis 2020 rund 1.200 zusätzliche Windkraftanlagen gebaut würden. Bisher seien erst sechs davon fertiggestellt. Kulitz ergänzte, man dürfe "nicht ausblenden, was einem gerade nicht passt". Er sagte weiter, es gebe "keine Frontstellung gegen die Landesregierung", sondern es solle angemahnt werden, die richtigen Wege einzuschlagen.