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Trotz Liberalisierung: Darum sind die Strompreise gestiegen

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: Verivox

Heidelberg. Heute vor 20 Jahren ist das neue Energiewirtschaftsrecht in Kraft getreten. Damit verbunden war die Hoffnung auf sinkende Strompreise. Das unabhängige Verbraucherportal Verivox hat die Energiemarktliberalisierung von Anfang an begleitet. In ihrer Jubiläumsbilanz erklären die Tarifexperten, warum die Verbraucher finanziell allerdings kaum profitiert haben.

Zunächst wenig Veränderung

Mit dem Inkrafttreten des neuen Energiewirtschaftsrechts 1998 war zwar die gesetzliche Grundlage vorhanden, im Bereich Strom gab es die ersten Wechsel aber erst Mitte des Jahres 1999. Der Anbieterwechsel im Gasbereich war sogar erst ab 2007 möglich. Heute ist der Wettbewerb groß und zwischen den Energieversorgern der Kampf um Neukunden entbrannt. Für die Verbraucher wurde es dennoch nicht günstiger - der durchschnittliche Strompreis ist in den letzten 20 Jahren um mehr als 60 Prozent gestiegen. Ist die Liberalisierung also gescheitert?

Strompreise fallen kurz und steigen dann massiv

1999 geschah, was sich die Befürworter der Marktöffnung erhofft hatten: Die Strompreise sanken, der Preisverfall hielt rund zwei Jahre lang. „Die Abkehr vom Monopol hatte zunächst tatsächlich unmittelbar positive Auswirkungen auf den Verbrauchspreis“, erinnert sich Mathias Köster-Niechziol, Energieexperte bei Verivox und seit nahezu 20 Jahren dabei. „Doch der Zugang für neue Anbieter gestaltete sich anfänglich schwierig und die Freude über sinkende Preise hielt nur kurz.“

Seither steigen die Strompreise in Deutschland kontinuierlich. Laut dem Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) lag der durchschnittliche Strompreis für einen Privathaushalt im Jahr 1998 bei 17,11 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Der Verivox-Verbraucherpreisindex Strom steht aktuell bei 27,85 Cent/kWh. Das entspricht einem nominalen Anstieg von über 60 Prozent.

Hauptgrund für diesen starken Anstieg ist die Entwicklung von Steuern, Abgaben und Umlagen, die private Verbraucher zuzüglich zum eigentlichen Kilowattstundenpreis zahlen müssen. Sie haben sich in den vergangenen 20 Jahren fast verdreifacht und machen aktuell rund 56 Prozent des Endpreises aus. Zudem entfallen rund 25 Prozent auf Gebühren für die Stromnetze. Die restlichen 19 Prozent gehen auf das Konto der Stromversorger, die davon Beschaffung, Vertrieb und Marge finanzieren.

Zahl der Stromanbieter versechsfacht, Sparpotenzial verdoppelt

Dennoch ist die Auswahl für private Stromverbraucher deutlich größer geworden. 2007 konnten Verbraucher nur aus durchschnittlich 31 verschiedenen Anbietern wählen. Zu Beginn des Jahres 2018 standen pro Postleitzahlengebiet durchschnittlich 176 Anbieter zur Auswahl. Damit hat sich das Angebot fast versechsfacht.

Auch die Sparmöglichkeiten für Verbraucher sind deutlich gewachsen: Betrug das Preisgefälle zwischen der örtlichen Grundversorgung und dem günstigsten Tarif im Jahr 2007 durchschnittlich rund 200 Euro, zeigt die Verivox-Auswertung für 2018 einen Preisunterschied von rund 390 Euro.

Nur wenige Haushalte wechseln den Stromanbieter

Dennoch nutzen auch 20 Jahre nach Öffnung der Strommärkte nur 30 Prozent der Verbraucher ihr Recht, den Energieanbieter zu wechseln. Aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur zufolge bekommen zwei Drittel der Kunden ihren Strom immer noch vom örtlichen Versorger.

„Offenbar denken noch immer viele Verbraucher, der Wechsel des Stromanbieters sei aufwändig und risikoreich“, erklärt Mathias Köster-Niechziol die geringe Wechselrate. „Dabei ist das ein Irrtum, denn der Anbieterwechsel kann komplett online durchgeführt werden und dauert nur wenige Minuten. Auch die Angst vor einer Unterbrechung der Versorgung durch den Wechsel ist vollkommen unbegründet, da die durchgängige Energieversorgung gesetzlich abgesichert ist.“

Gasmarkt: Wechsel erst knapp 10 Jahre später möglich

Auf dem Gasmarkt stellt sich die Lage deutlich anders dar, ein Anbieterwechsel wurde erst ab 2007 möglich. Seither ist der Gaspreis nahezu unverändert:
Im Jahr 2007 lag der durchschnittliche Gaspreis für einen Haushalt mit Einfamilienhaus laut Verivox-Verbraucherpreisindex Gas bei 6,52 Cent/kWh. Aktuell beträgt dieser Durchschnittspreis 5,64 Cent/kWh – ist also nur um knapp einen Cent oder 15 Prozent gesunken. Grund hierfür ist die unveränderte Steuerlast. Aktuell liegt der Anteil von Steuern und Abgaben im Bereich Gas bei 26 Prozent. Rund 27 Prozent entfallen auf Gebühren für die Gasnetze, der Versorgeranteil liegt bei rund 47 Prozent.

Anzahl der Gasanbieter explodiert

Die Auswahl verfügbarer Gasanbieter ist seit der Marktöffnung schnell angestiegen. Zu Beginn des Jahres 2008 waren es im bundesdeutschen Durchschnitt gerade einmal drei Anbieter. Zu Beginn des Jahres 2018 aber konnten die Verbraucher pro Postleitzahlengebiet durchschnittlich aus 123 Anbietern wählen.

Auch die Sparmöglichkeiten haben sich im Bereich Gas schneller und stärker entwickelt als beim Strom. Das Preisgefälle zwischen der örtlichen Grundversorgung und dem günstigsten Tarif lag im Jahr 2007 bei durchschnittlich 100 Euro. Die Verivox-Auswertung aktueller Gaspreise für 2018 zeigt indes einen Preisunterschied von fast 600 Euro.

Außerdem nutzen mehr Kunden den Wettbewerb: Laut Bundesnetzagentur haben aktuell ein Viertel der Gaskunden ihren Anbieter gewechselt. Drei Viertel der Verbraucher sind ihrem örtlichen Versorger jedoch weiterhin treu.

War die Liberalisierung nun also ein Erfolg?

„Private Verbraucher von Strom und Gas sind heute nicht mehr dem Preisdiktat eines einzelnen Versorgers ausgeliefert und können durch den Anbieterwechsel mehrere hundert Euro pro Jahr sparen“, beobachtet Mathias Köster-Niechziol. Allein Verivox ersparte seinen Strom- und Gaswechslern etwas mehr als 2 Milliarden Euro in den letzten 20 Jahren.

„Gleichzeitig stehen die Anbieter im Wettbewerb und müssen bei ihrer Preisgestaltung auch günstige Angebote ihrer Mitbewerber berücksichtigen. In dieser Hinsicht war die Marktöffnung sicher ein Erfolg. Würden im Bereich Strom die Steuern, Abgaben und Umlagen die marktförmige Preisbildung nicht überlagern, könnte man auf Grund der Wettbewerbsvielfalt und der hohen Einsparpotentiale, die Verbraucher erzielen können, von einem Erfolg der Liberalisierung sprechen.“