SZ: Atomwirtschaft muss mit weiterer Milliardenabgabe rechnen
Stand: 16.07.2010
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Berlin - Die deutsche Atomindustrie wird im Gegenzug für längere Laufzeiten eventuell mit einer weiteren Milliardenabgabe zur Kasse gebeten. Neben der Brennelementesteuer, die pro Jahr 2,3 Milliarden Euro in die Kassen des Bundes spülen soll, werde über die Einführung einer weiteren Abgabe diskutiert. So hieß es am Freitag in Koalitionskreisen. Sie bestätigten damit einen entsprechenden Bericht der "Süddeutschen Zeitung".
Die Brennelementesteuer dient zur Haushaltssanierung, eine mögliche weitere Abgabe der Förderung erneuerbarer Energien. Mit beiden Abgaben könnte der Staat einen Teil der Milliarden-Gewinne abschöpfen, die durch die Verlängerung der Atomkraftwerk-Laufzeiten entstehen.
Letztlich hängt eine mögliche weitere Abgabe und ihre Höhe von der Dauer der Laufzeitverlängerung ab. Je länger Kernkraftwerke weiter betrieben werden können, desto größer fallen die Zusatzgewinne der vier Energiekonzerne aus. Dieses Ertragsplus wird gerade von Gutachtern ermittelt - bei verschiedenen Laufzeitszenarien. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hatte bisher erklärt, dass mindestens 50 Prozent der Zusatzgewinne abgeschöpft werden sollten.
Die Pläne für die Brennelementesteuer werden vom Finanzministerium trotz des Widerstands der Atomwirtschaft vorangetrieben. Sie ist Teil des 82-Milliarden-Sparpakets der schwarz-gelben Bundesregierung.
"Es ist zunächst mit Mehreinnahmen des Bundes aus der Kernbrennstoffsteuer in Höhe von 2,3 Milliarden Euro jährlich ab 2011 zu rechnen", heißt es in dem der Nachrichtenagentur dpa vorliegenden Referentenentwurf. "Das Aufkommen der Steuer wird jedoch zurückgehen, wenn die im Rahmen des Energiekonzepts der Bundesregierung vorgesehenen Laufzeiten der einzelnen Kernkraftwerke enden."
Die Steuer ist ein Ausgleich für Kosten zur Endlagerung von Atommüll. Auch will der Staat von den Vorteilen der Atomindustrie beim Handel mit Verschmutzungsrechten ("CO2-Emissionshandel") profitieren. "Im Zuge der notwendigen Konsolidierung des Bundeshaushalts sollen mit dem Gesetz diese Vorteile aus dem Emissionshandel reduziert und die Betreiber von Kernkraftwerken an den Kosten der Sanierung insbesondere des Endlagers in Asse beteiligt werden", heißt es in dem Entwurf des Finanzministeriums.
Bei einer Verlängerung der Laufzeiten der Kraftwerke würden sich die zusätzlichen Gewinne vergrößern. Zudem hätten die Betreiber dann Vorteile aus der späteren Inanspruchnahme von Rückstellungen für die Stilllegung und den Rückbau der Atommeiler. "Die Bundesregierung wird alle Fragen, die längere Laufzeiten der Kernkraftwerke betreffen, im Rahmen der Erarbeitung eines zukünftigen Energiekonzepts entscheiden." Dies beziehe die Frage des Vorteilsausgleichs ein. Dabei werde die Kernbrennstoffsteuer zu berücksichtigen sein.
In den Koalitionsfraktionen ist eine Zusatzbelastung der vier Energiekonzerne RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW über die Brennelementesteuer hinaus umstritten. "Ich halte es für nicht realistisch, dass über die vorgeschlagenen 2,3 Milliarden Euro pro Jahr hinaus noch zusätzlich etwas Geld abgeschöpft werden kann", sagte der Energieexperte der Union, Thomas Bareiß (CDU).
Da die 17 deutschen Atommeiler fast komplett abgeschrieben sind, rechnen die Konzerne bei längeren Laufzeiten mit satten Zusatzgewinnen. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hatte bei einer Laufzeitverlängerung um acht Jahre einen Wert von etwa 56 Milliarden Euro ermittelt. Allerdings müssten ältere Reaktoren nachgerüstet werden.
Die Konzerne machen Druck auf die Politik, auf die Atomsteuer zu verzichten und stattdessen mit Geld aus einer Laufzeitverlängerung nur einen Fonds zur Förderung erneuerbarer Energien aufzulegen. Bei einem solchen Fonds wären die Stromunternehmen indirekt Nutznießer, da auch sie verstärkt auf erneuerbare Energien setzen.