Studie: Bei bundesweitem Stromausfall droht das Chaos
Stand: 23.09.2008
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Berlin (dpa) - "Wo warst du, als das Licht ausging?" heißt eine romantische Komödie mit Doris Day, die während eines Stromausfalls im New York der 60er Jahre spielt. Doch Stoff für eine Komödie bietet das Krisenszenario nicht, das 18 Experten für den Fall eines solchen "Blackouts" entworfen haben: Ihrer Ansicht nach droht Deutschland im Chaos zu versinken, wenn in weiten Teilen der Republik für mehrere Tage der Strom ausfällt.
"Ohne Strom geht nichts", heißt es in dem am Dienstag vorgestellten "Grünbuch", das Sicherheits- und Rettungskräfte gemeinsam mit anderen Praktikern erarbeitet haben. "Sicherheit und Grundversorgung der Bürger könnten von staatlichen Einrichtungen und privaten Hilfsorganisationen nicht mehr aufrechterhalten werden." Die Arbeit von Polizei und Rettungskräften wäre ebenso betroffen wie die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln und frischem Wasser. Doch trotzdem ist der Studie zufolge derzeit "kein einheitliches Risiko- und Krisenmanagement" erkennbar.
Dass ein Stromausfall ganz Deutschland lahmlegt, scheint nur auf den ersten Blick weit hergeholt. Denn obwohl die deutschen Stromnetze als die zuverlässigsten in Europa gelten, gehen die Autoren des "Grünbuchs" von einer hohen "Eintrittswahrscheinlichkeit" aus - und können sich da auf mehrere Beispiele berufen.
Nach einem Wintereinbruch im November 2005 knickten im Münsterland unter der Last der Schneemassen mehr als 80 Strommasten um. Bis zu 250 000 Menschen mussten daraufhin tagelang ohne Elektrizität auskommen. Nur ein Jahr später gingen in weiten Teilen Westeuropas für 90 Minuten die Lichter aus, weil die geplante Abschaltung einer Hochspannungsleitung zu einer unerwarteten Kettenreaktion geführt hatte.
Polizei, Feuerwehr und Hilfskräfte sind aber mittlerweile auf Computer angewiesen - und damit auf Strom. Inwieweit Leitstellen und Krisenstäbe über eine Notstromversorgung verfügen, hänge vom Einzelfall ab, heißt es in dem Bericht. Zudem sei bei einem länger anhaltenden Stromausfall davon auszugehen, dass sowohl Handys als auch Festnetztelefone "großflächig gestört sein werden". Die Koordination notwendiger Einsätze und Hilfsmaßnahmen würde dadurch zusätzlich erschwert.
Ohne computergesteuerte Logistik könnte zudem der Einzelhandel kaum noch mit Lebensmitteln und anderen notwendigen Waren beliefert werden. Viele Geschäfte müssten dem Szenario zufolge aber ohnehin schließen, weil Kühlregale ebenso ausfallen würden wie die elektronischen Kassensysteme. Und die potenziellen Kunden könnten beim Ausfall aller Geldautomaten auch nicht mehr mit Bargeld versorgt werden. Der Ausfall der Ampeln ließe den Verkehr zusammenbrechen, und die Bevölkerung müsste sich darauf einstellen, dass nicht nur Licht und Heizung ausfallen, sondern sogar die Toilettenspülung.
Trotz der Aussicht auf Abende bei Kerzenschein - Platz für Romantik bleibt da kaum. Auch der Stromausfall vor drei Jahren im Münsterland scheint bei den Betroffenen keine romantischen Gefühle geweckt zu haben. Neun Monate nach dem "Blackout" registrierten die Statistiker, dass der erwartete Babyboom ausgeblieben war.