Strompreis-Schere weit geöffnet: Privatkunden zahlen die Zeche
Stand: 10.10.2014
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Wiesbaden - Private Haushalte und kleine Gewerbetreibende müssen für ihren Strom schon immer tiefer in die Tasche greifen als Großkunden aus der Industrie. Doch die Preisschere öffnet sich immer weiter. Und eine grundlegende Entlastung ist für private Verbraucher nicht in Sicht.
Privatleute kennen beim Strompreis seit Jahren nur eine Richtung: nach oben. Seit dem Jahr 2000 hat sich der Preis für sie nahezu verdoppelt, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag berichtete. Seit der Wirtschaftskrise 2008/2009 wachsen außerdem die Stromkosten für die privaten Haushalte und kleine Unternehmen weit schneller als für Großverbraucher in der Industrie. Während die Unternehmen auf vielfältige Ausnahmeregeln vertrauen und sich selbst am liberalisierten Strommarkt versorgen können, kämen bei vielen Privatkunden noch nicht einmal die gesunkenen Kosten bei der Stromerzeugung an, klagen Verbraucherschützer.
Preistreiber Nummer eins: Steuern und Abgaben
Preistreiber seit dem Jahr 2000 waren vor allem höhere Steuern und Umlagen, haben auch die Statistiker festgestellt. 29,13 Cent zahlt ein Durchschnittshaushalt mittlerweile für eine Kilowattstunde Strom, wie der Energiebranchenverband BDEW berechnet hat. Nur ein Viertel, nämlich 7,3 Cent, gehen dabei für den Stromeinkauf und Vertrieb drauf. Der Rest sind regulierte Netzentgelte sowie stolze 52,4 Prozent Steuern, Abgaben und Umlagen. Auf dieser Seite ist inzwischen die Umlage für erneuerbare Energien (EEG-Umlage) mit 6,24 Cent noch vor der Mehrwertsteuer (4,65 Cent) der größte Kostenblock.
Vor allem Bürger, Gewerbe und Mittelstand zahlen über die EEG-Umlage die Kosten der Energiewende, garantieren Windradbetreibern sowie Solar- und Biomassebauern über Jahrzehnte gute Renditen und müssen zudem den Netzausbau finanzieren. Mit dem Argument der Arbeitsplatz- und Standortsicherung wird die Industrie entlastet, die für ihren Strom von vornherein nur etwa die Hälfte des Privatpreises zahlt. Zwar wird nur jeder 25. Industriebetrieb von der Ökostrom-Umlage befreit. Auf mehr als die Hälfte des verbrauchten Industriestroms erhalten Unternehmen aber hohe Rabatte.
Entspannung nicht in Sicht
Für die Privatkunden hat die Liberalisierung des Strommarktes anders als bei der Telekommunikation bislang keine Preissenkungen gebracht. Zwar tummeln sich inzwischen mehr als 1000 Unternehmen im Endkundengeschäft, doch Ökostromabgabe und Netzentgelte lassen die Preise trotz aller Konkurrenz tendenziell weiter steigen. Angesichts der gewaltigen anstehenden Investitionen für Höchstspannungsleitungen spricht derzeit nichts für eine Preisentspannung auf breiter Front. Die EEG-Umlage könnte im kommenden Jahr zwar leicht fallen, ein weiterer Anstieg danach sei aber nicht ausgeschlossen, meint Florian Krüger von Verivox.
Das ändert nichts daran, dass Stromkunden individuell Geld sparen können, wenn sie zu einem günstigeren Anbieter wechseln. Noch immer bezieht mehr als jeder dritte Haushalt in Deutschland seinen Strom im Grundtarif seines örtlichen Versorgers, meist eine besonders teure Lösung. Häufig handelt es sich bei den Kunden um Menschen, denen ein Wechsel aus vielfältigen Gründen schwerfällt oder sogar unmöglich ist. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat den Unternehmen unlängst vorgeworfen, die seit Jahren beträchtlich gesunkenen Einkaufspreise nicht an ihre Kundschaft weiterzugeben. In besonders krassen Fällen sollen nun die Kartellbehörden eingeschaltet werden.