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Stromnetz: Gier der Händler führt zu Beinahe-Blackout

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Berlin - Der Atomausstieg und die kalten Temperaturen konnten dem deutschen Stromnetz nichts anhaben. Dennoch stand das Netz in den letzten Tagen kurz vor dem Zusammenbruch. Schuld waren riskante Geschäfte von Energiehändlern.

Nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" (Donnerstag) kritisiert die zuständige Bundesnetzagentur in einem Schreiben, dass es zu gefährlichen Defiziten im Stromnetz gekommen sei. Darin heiße es, das deutsche Stromnetz habe seit dem 6. Februar zu unterschiedlichen Tageszeiten "erhebliche, über mehrere Stunden andauernde Unterdeckungen verzeichnet".

Netz hätte kolabieren können

Deshalb sei im Störungsfall teilweise keine Absicherung mehr verfügbar gewesen - wenn also Kraftwerke ausgefallen wären, hätte das Netz kollabieren können. "Wir werden das in alle Richtungen untersuchen", sagte ein Sprecher der Aufsichtsbehörde am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur und bestätigte den Bericht. Die Behörde sprach von einer sehr ernsten Situation.

Verdacht: Händler wollten Kosten sparen

Der Grund könnte darin liegen, dass Kosten für extrem hohe Börsen-Strompreise infolge der langanhaltenden Minusgrade gespart werden sollten. Konkret geht es darum, dass Hunderte Stromhändler für Großverbraucher und Versorger den Strom zukaufen, der gerade benötigt wird. Sie schätzen dabei anhand von Erfahrungswerten ab, wie viel Strom gebraucht wird. Weil durch eine enorme Nachfrage, etwa auch in Frankreich, der Strompreis an der Börse auf teils weit über 350 Euro für die Megawattstunde hochschnellte, besteht der Verdacht, dass die Händler Kosten sparen wollten und die Prognosen entsprechend kleinrechneten.

Weil aber durch eine höhere Nachfrage zu wenig Strom vorhanden war, musste über die für Notfälle als Absicherung des Systems vorgesehene Regelleistung zurückgegriffen werden, die mit Kosten von rund 100 Euro je Megawattstunde deutlich billiger ist. Diese Kosten werden den Stromhändlern im Nachhinein berechnet. Laut "Berliner Zeitung" musste wohl auch wegen der gefährlichen Unterdeckung die Kaltreserve, bestehend aus Kohle-, Gas- und Ölkraftwerken in Deutschland und Österreich, angezapft werden.

Unterdeckung im Februar

Wenn keine Regelleistung mehr vorhanden ist, gibt es kaum noch Spielräume, einen Ausfall von Kraftwerken aufzufangen. In einem Schreiben des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es: "Insbesondere im Zeitraum vom 6. bis 9. Februar wies die Systembilanz von Deutschland eine deutliche, jeweils mehrere Stunden lang anhaltende Unterdeckung auf."

Die Grünen-Energiepolitikerin Ingrid Nestle sagte: "Offensichtlich zocken Stromhändler mit unserer Versorgungssicherheit." Die Regierung habe es unterlassen, solche Manipulationen zu verhindern. "Solange die Bundesregierung nicht für ein permanentes Monitoring sorgt, bleibt das Tor für Marktmanipulationen weit offen. Wir brauchen eine konsequente Markt- und Netzüberwachung", forderte Nestle.