Strommengen von AKW Kärlich werden nicht auf Brunsbüttel übertragen
Stand: 01.08.2007
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Berlin/Kiel (dpa) - Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die vom Stromkonzern Vattenfall beantragte Übertragung von Strommengen des stillgelegten Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich auf den 30 Jahre alten Atommeiler Brunsbüttel endgültig abgelehnt. Das teilte das Umweltministerium am Mittwoch in Berlin mit. Gabriel berief sich auf den mit der Branche vereinbarten Ausstieg aus der Kernenergie bis 2020/2022. Vattenfall wollte die Laufzeit von Brunsbüttel um rund zweieinhalb Jahre bis Ende 2011 verlängern. Das Unternehmen verfolgt für Brunsbüttel einen Hilfsantrag. Danach soll eine Strommenge vom jüngeren Atomkraftwerk Krümmel übertragen werden.
Vattenfall will sein weiteres Vorgehen sorgfältig prüfen. Der 35 Seiten starke Bescheid des Bundesumweltministeriums zu Mülheim- Kärlich/Brunsbüttel werde in den nächsten Tagen ausgewertet, kündigte das Unternehmen an. Danach werde über weitere Schritte entschieden.
Nach Ansicht von Trauernicht kann die Klärung der Pannen in den Meilern Krümmel und Brunsbüttel insgesamt Monate dauern. "Es handelt sich ja um hochkomplexe technische Angelegenheiten und darüber hinaus um menschliche Fehler", sagte die Ministerin im Deutschlandfunk. Es sei durchaus üblich, dass eine solche Überprüfung "Wochen bis hin zu Monaten in Anspruch nimmt". Die Experten müssten noch vieles klären. Vattenfall als Betreiber der Atomkraftwerke verhalte sich mittlerweile weitgehend kooperativ.
Die Reaktoren in Krümmel und Brunsbüttel waren am 28. Juni nach Pannen per Schnellabschaltung vom Netz gegangen. Beide Meiler sind derzeit abgeschaltet. Aufgrund eines Missverständnisses zwischen Schichtleiter und Reaktorfahrer war der Druck im Reaktor Krümmel beim Herunterfahren schneller gesunken als gewünscht. Vorschläge zur Verbesserung der Abläufe in der Kraftwerkswarte will Vattenfall der Atomaufsicht in Kiel in den kommenden Wochen vorlegen, "also noch vor dem geplanten Wiederanfahren der Anlage". Auf Initiative des Unternehmens sei eine Arbeitsgruppe der deutschen Kernkraftbetreiber gebildet worden, die sich mit der Warten-Kommunikation befasst.
Gabriel forderte von den Betreibern nach den jüngsten Störfällen die Einrichtung eines modernen Sicherheitsmanagements binnen eines Jahres. Weitere Verzögerungen werde er nicht dulden. In einer Sondersitzung des Bundestags-Umweltausschusses über die Störfälle in Krümmel, Brunsbüttel und Unterweser kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Koalitionspartnern CDU/CSU und SPD über den Atomausstieg.
Der Minister warf den Atomkraft-Betreibern mit Blick auf den Umgang mit den Störfällen "erhebliche Defizite in der Sicherheitskultur" vor. Da es vor allem in Krümmel offensichtlich Kommunikationsprobleme gegeben habe, müssten künftig "klare und verbindliche Kommunikationsregeln festgelegt werden".
Spätestens in einem Jahr soll laut Gabriel auch ein modernes sicherheitstechnisches Regelwerk erarbeitet werden, das den aktuellen Wissenschafts- und Technik-Stand beschreibt. Bis Ende dieses Jahres will er mit Ländern und Betreibern klären, ob es auf freiwilliger Basis eingeführt werden könne oder per Verordnung durchgesetzt werden müsse. Für die periodischen Sicherheitsüberprüfungen, die derzeit alle zehn Jahre durchgeführt werden müssen, solle es kürzere Fristen geben.
Gabriel bekräftigte die Absicht, ältere und pannengefährdete Reaktoren früher vom Netz zu nehmen und dafür neuere Meiler länger laufen zu lassen. Dieser Austausch von Strommengen zwischen Kraftwerken habe "keine wirtschaftlichen Nachteile" für die Betreiber. Damit würde der Atomausstieg in der letzten Stufe nicht 2022 stattfinden, sondern entsprechend einige Jahre später.