Stromkonzerne rufen bei Atomausstieg nach dem Staat
Stand: 26.11.2015
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Berlin - Die vier Energieriesen Deutschlands wollen nicht unbegrenzt für den Atomausstieg haften und sehen die Bundesrepublik in der Pflicht. Bei einer Anhörung am Mittwoch in Berlin kritisierten Eon, RWE, EnBW und Vattenfall die schleppende Entscheidung der Politik über ein Endlager und warnten vor Kostenrisiken.
Die wegen der Energiewende unter erheblichem Druck stehenden Konzerne wiesen zugleich Spekulationen zurück, sie verfügten nicht über das notwendige Finanzpolster für Stilllegung und Rückbau ihrer Atomkraftwerke und die Entsorgung des Atommülls. Die gebildeten Rückstellungen seien "korrekt, sicher und langfristig werthaltig", hieß es. Man habe die Abwicklung technisch und finanziell im Griff.
Schnellere politische Entscheidungen gefordert
Unsicherheit bestehe aber durch unklare politische Entscheidungen, erklärten sie. Weiter offen sei etwa die Frage des Endlagers. Aktuelle Planungen für die Inbetriebnahme gingen eher vom Jahr 2050 aus. Die Kosten dafür seien aufgrund fehlender politischer Entscheidungen schwer abzuschätzen, ein Risiko für die Unternehmen und auch ein enormes Hindernis auf dem Kapitalmarkt. Sie warnten vor einer Überforderung bei den Ausstiegskosten, die letztlich die Unternehmen und mehrere zehntausend Arbeitsplätze gefährden würde.
Rücklagen für Abbau der Atomkraftwerke sind gebunden
Im Zuge der Energiewende soll 2022 das letzte Kernkraftwerk in Deutschland stillgelegt werden. Die Kosten für den Abriss der Meiler und die Endlagerung des Atommülls werden auf mindestens 47,5 Milliarden Euro geschätzt. Die vier Versorger haben in der Vergangenheit insgesamt 38,3 Milliarden Euro an Rückstellungen gebildet. Die Milliarden liegen aber nicht auf dem Festgeldkonto, sondern stecken in Kraftwerken, Stromnetzen oder in Finanzanlagen.
Auch ein Stresstest ergab, dass die Unternehmen stark genug sind, die Kosten abzudecken. Wegen vieler Unsicherheitsfaktoren könne aber nicht abgeleitet werden, dass die Finanzierung der künftigen Entsorgungskosten sicher sei, hatten Gutachter ermittelt.
Staatlicher Rettungsfonds?
Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission soll bis nächstes Frühjahr Vorschläge machen, wie die Finanzierung dauerhaft gesichert wird. Im Gespräch sind eine Stiftung und ein öffentlicher Fonds, die die Rückstellungen verwalten könnten.
Vize-RWE-Chef Rolf Martin Schmitz sprach sich dafür aus, Versorger (EVU) und Staat müssten gemeinschaftlich Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass diese Rückstellungen auch reichen: "Damit muss quasi der Staat dann aber auch die Verantwortung für politisch verursachte Zusatzkosten übernehmen." Für Unternehmen bestünde dann keine Nachschusspflicht für unkalkulierbare Kosten. Eine Stiftung sei dafür ein geeignetes Konstrukt. Dies biete ausreichend Spielraum und Synergien für die Unternehmen.
Endlager muss der Staat bezahlen
Eon-Finanzchef Michael Sen betonte, die Konzerne wollten und könnten ihren Teil der Verantwortung für Rückbau und Entsorgung erfüllen. "Unsere Rückstellungen sind absolut tragfähig gegenfinanziert und damit sicher." Die Versorger seien zuständig für Stilllegung, Rückbau, Entsorgung sowie Kosten für Zwischen- und Endlagerung. Bau und Betrieb der Endlager aber seien von Anfang an Sache des Staates: "Auch wenn ich zutiefst davon überzeugt bin, dass die heutigen Rückstellungen in der Zukunft bedient werden können, so muss ich doch auch feststellen, dass wir nicht unbegrenzt immer neue Verpflichtungen schultern können."
Die Bundesregierung hat ein Gesetz zur Haftung der Stromkonzerne bei den Kosten des Atomausstiegs auf den Weg gebracht. Es soll spätestens zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. Damit will der Bund verhindern, dass die Konzerne sich durch Abspaltung ihrer Atomtöchter vor der milliardenschweren Haftung bei Abriss und Endlagerung drücken können.