Stromkonzerne planen Verfassungsklage gegen AKW-Abschaltung
Stand: 20.06.2011
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Hamburg/Berlin - Die Bundesregierung muss mit Verfassungsklagen der großen Energiekonzerne gegen das Gesetz zum Atomausstieg rechnen. Sie bereiteten Klagen vor Deutschlands höchstem Gericht vor, so sollen milliardenschwere Schadenersatzforderungen durchgesetzt werden. Dies berichtete der "Spiegel" am Sonntag. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte den Atomausstieg gegen kritische Stimmen aus der eigenen Partei.
Die Konzerne argumentieren dem "Spiegel" zufolge, dass die beim rot-grünen Ausstiegsbeschluss vor zehn Jahren zugestandenen Reststrommengen für AKW ihr Eigentum seien und damit durch das Eigentumsrecht des Grundgesetzes geschützt seien. In dieses Eigentumsrecht greife der Staat aber mit dem geplanten Ausstiegsgesetz massiv ein, ohne bislang "stringente Gründe dafür zu liefern", heißt es demnach in einem im Auftrag der Betreiber erstellten Rechtsgutachten. Somit stünde den Konzernen Schadenersatz zu - und der liege nach Schätzungen der Konzerne im zweistelligen Milliardenbereich.
Für die Klagen hätten die Konzerne bereits namhafte Anwaltskanzleien engagiert, berichtete das Magazin. So gingen der Verwaltungsrechtler Christoph Moench und der ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz in einem für den Düsseldorfer E.ON-Konzern verfassten Gutachten davon aus, dass der geplante Ausstieg klar gegen die Verfassung verstoße. Allerdings gebe es auch Juristen, die zu einem anderen Schluss kämen.
Wie der "Spiegel" weiter berichtet, erwägt der schwedische Konzern Vattenfall wegen der dauerhaften Stilllegung seines Atommeilers Krümmel sogar, ein internationales Schiedsgericht anzurufen, falls eine gütliche Einigung mit Berlin nicht zustande kommt. Auch die von der Bundesregierung verhängte Brennelementesteuer wollen die Konzerne anfechten.
Merkel verteidigt Atomausstieg
Bei einer Konferenz mit Kreisvorsitzenden der CDU verteidigte Kanzlerin Merkel am Samstag den Kurswechsel in der Atompolitik. Die Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima habe es notwendig gemacht, "angesichts dieses neu zu bewertenden Restrisikos auch unsere Energiepolitik noch einmal zu überdenken", sagte sie. "Ich finde, das ist etwas, das eine Volkspartei tun sollte, wenn sie der Realität ins Auge schauen will."
Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) kritisierte den schnellen Kurswechsel seiner Partei in der Atompolitik. Der "Bild am Sonntag" sagte er, die "Tugenden" der Union seien "bei der Energiewende zu kurz gekommen: Solidität, Weitblick und die Fähigkeit, das Ende zu bedenken".
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) warb mit Verweis auf die wirtschaftlichen Chancen für die Energiewende. Das Projekt sei ein "wirtschaftliches Erneuerungsprojekt, wo viele Handwerker beteiligt sind, wo mittelständische Unternehmen dabei sind", sagte er dem Deutschlandfunk.
Trotz des geplanten Ausstiegs will die Bundesregierung die Mittel für die Atomforschung aufstocken. Die Förderung von Forschungseinrichtungen steige 2012 von derzeit 32 Millionen auf 35 Millionen Euro, sagte Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Dazu kämen zehn Millionen Euro, die direkt in spezielle Projekte flössen. "Das zeigt: Atomforschung bleibt wichtig", sagte Schavan. Auch in Zukunft brauche Deutschland Kompetenz, um international mitreden zu können.