Strom aus Erdwärme: Geothermieanlage entsteht in Unterhaching
Stand: 05.02.2004
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Unterhaching (dpa/lby) - Experten sprechen von einer unerschöpflichen Quelle: Wärme aus dem Erdinnern soll die Energiesorgen künftiger Generationen lösen. Die Gemeinde Unterhaching bei München hat ein ehrgeiziges Geothermie-Projekt zur Stromgewinnung gestartet, das bei Erfolg weltweit Schule machen könnte. Bis Ende 2005 soll dort eine geothermische Stromerzeugungsanlage mit rund 3,7 Megawatt Leistung entstehen. Am Freitag will Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) die Baustelle besuchen. Sein Ministerium fördert das insgesamt 35 Millionen Euro teure Erdwärme-Projekt mit 4,8 Millionen Euro.
Schon vor zehn Jahren hatte der promovierte Physiker die Erdwärme als Energiequelle im Auge. "Aber das hat sich damals nicht gerechnet." Mit dem Erneuerbare Energien-Gesetz sei die Sache nun auch wirtschaftlich rentabel geworden. Im vergangenen Sommer ging die bundesweit erste Geothermie-Anlage zur Stromgewinnung in Neustadt-Glewe in Mecklenburg-Vorpommern ans Netz, sie erzeugt jedoch nur 210 Kilowatt. Darüber hinaus gibt es in Deutschland etwa 30 Geothermie-Anlagen, bei denen die unterirdischen Quellen aber lediglich zur Fernwärmegewinnung genutzt werden.
Erdwärme gilt als wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer umweltfreundlichen Energiegewinnung. "Der Vorteil ist: Die Energie ist ständig Tag und Nacht, Sommer und Winter vorhanden", erläutert der Geophysiker Rüdiger Schulz vom Institut für geowissenschaftliche Gemeinschaftsaufgaben in Hannover. "Sie ist nicht an Sonneneinstrahlung, Wind oder Wasserstand wie bei Wasserkraft gebunden."
Nach den Erkenntnissen der Geologen sprudelt gerade im Münchner Süden ähnlich wie im Oberrheingraben und in der norddeutschen Tiefebene besonders heisses Wasser in der Tiefe. Allein in der Region zwischen München und dem Chiem könnten nach Aussage des Hannoveraner Geophysikers mit rund 150 Anlagen insgesamt 500 Megawatt geothermisch gewonnen werden. "Das ist schon ein kleines Atomkraftwerk."
Zur Stromerzeugung wird das Wasser nach oben gepumpt und erhitzt in einem geschlossenen Kreislauf ein Kältemittel, das verdampft und Turbinen antreibt. Die grosse Hoffnung in Unterhaching ruht dabei auf dem Einsatz der so genannte Kalina-Technik, bei der ein Ammoniak- Wasser-Gemisch verdampft wird. Das soll den Wirkungsgrad von bisher sieben Prozent auf 14 Prozent erhöhen. Anschliessend wird das Thermalwasser für die Erzeugung von Fernwärme genutzt und dann - abgekühlt auf 30 bis 70 Grad - wieder ins Erdreich gepresst. Experten rechnen damit, dass das Thermalwasser bei der Prozedur örtlich etwas abkühlt, so etwa nach 50 Jahren an anderer Stelle ein neues Loch gebohrt werden muss. Bisher fehlen dazu aber Erfahrungswerte.
Die Aussicht auf heisses Thermalwasser schürt auch Fantasien über Stromgewinnung und Wärmeversorgung hinaus: etwa auf geothermisch beheizte Gewächshäuser und Fischteiche oder beheizte und somit auch Winters rutschsichere Strassen. "Man hätte an exponierten Stellen keinen Problem mehr mit dem Winterdienst, man spart sich das Salz streuen und den Split", sagt Bürgermeister Knapek. Auch dies käme der Umwelt zugute. Hoffnungen auf ein Thermalbad und vielleicht sogar den Bädertitel im Gemeinenamen dämpft der Rathauschef allerdings. "Das Thermalbad ist der geringste Aufwand, das macht man praktisch mit ein paar Tropfen am Bohrrand - aber das ist derzeit nicht unser Ziel."
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