Neustadt-Glewe (dpa/mv) - Das erste Erdwärme-Kraftwerk
Deutschlands wird seit Donnerstag im mecklenburgischen Neustadt-Glewe
(Kreis Ludwigslust) gebaut. Die 800.000 Euro teure Anlage soll im
November in Betrieb gehen und dann Strom für bis zu 500 Haushalte umweltfreundlich aus heissem Thermalwasser produzieren. Die Turbine erweitert die seit acht Jahren laufende Geothermie-Heizanlage der
Kleinstadt zum Kraftwerk.
Mecklenburg macht sich seit fast 20 Jahren die Wärme aus den
Tiefen der Erde zu Nutze: Auf der Suche nach Energieressourcen wurde
im Osten viel gebohrt. "Die DDR dabei durchlöchert wie ein Schweizer
Käse, aber auch bestens erkundet", sagt Mario Hielscher von der
Erdwärme Neustadt-Glewe GmbH. Erdöl und Gas fanden sich kaum, dafür
stiess man auf heisse "Quellen" im Untergrund. In Waren an der Müritz
und Neubrandenburg gingen Mitte der 80er Jahre geothermische
Heizzentralen ans Netz. Kochendes Wasser fand sich auch in 2200 Meter
Tiefe unter der Lewitzregion. Zwei Bohrungen wurden 1988 und 1989 zum
"heissen Schatz" im Sandstein abgeteuft, doch die Wende legte den
Beginn der Förderung auf Eis.
Mit Bundesmitteln entstand 1994 in Neustadt-Glewe ein Geothermie-
Heizwerk, das 1450 Wohnungen und 30 Gewerbetreibende mit
Fernwärme
versorgt. Pro Jahr werden dafür eine halbe Million Kubikmeter 97 Grad
heisses Thermalwasser aus der Tiefe gepumpt, zur Energiegewinnung über
Wärmetauscher aus Titan und schliesslich zurück in die Erde geleitet.
Das Wärme-Potenzial soll noch mindestens 50 Jahre ausreichen, sagt
Hielscher. "Problem ist der hohe Salzgehalt des Wassers, der mit 227
Gramm je Liter fast dem des Toten Meeres entspricht", erklärt der
Heizungsexperte weiter. Insofern leiste Mecklenburg Pionierarbeit
beim Erforschen stabiler Materialien für Rohre und Dichtungen, die
dem aggressiven Salzwasser standhalten.
Vom Herbst an nun wird eine 300 PS oder 220 Kilowatt starke
Turbine der GET GmbH Unterlemnitz (Thüringen) den Kreislauf des
Geothermie-Heizwerkes ergänzen. Da aber die Erdwärme in Neustadt-
Glewe für herkömmliche Kraftwerkstechnik nicht heiss genug ist, wird
als Turbinendampf ein organischer Stoff genutzt, der bereits bei 30
Grad siedet. So sollen über
Kraft-Wärme-Kopplung pro Jahr 1400
Megawattstunden Strom aus Erdwärme, einer regenerativen Energie,
produziert werden, erklären die Betreiber.
Bauherr des neuen Kraftwerks ist die Erdwärme-Kraft GbR, die zu 51
Prozent der Berliner Bewag AG (Vattenfall Europe) gehört. Weitere
Gesellschafter sind die Schweriner Wemag AG und die Landauer LanGeo
GmbH, eine Tochter der EnergieSüdwest AG. Fast 50 Prozent Fördergeld
kommen vom Bundesumweltministerium, die Planungen stammen von der
Geothermie Neubrandenburg GmbH (GTN). Wissenschaftlich begleitet wird
das Projekt vom Geoforschungszentrum (GFZ) Potsdam. Weltweit gibt es
Geothermie-Kraftwerke mit einer elektrischen Leistung von zusammen
etwa 8.500 Megawatt. 60 Länder nutzen Erdwärme für die Strom-
beziehungsweise Wärmeversorgung, darunter Island, Italien, die
Türkei, Neuseeland, Mexiko und die USA.