Berlin (dpa) - Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat im Streit um den Emissionshandel erstmals den Zeitplan in Frage gestellt und damit den Koalitionskonflikt angeheizt. Die Einhaltung des 31. März als Abgabetermin für den nationalen Zuteilungsplan der Verschmutzungsrechte in Brüssel sei wünschenswert, aber nicht zwingend. "Das wäre nicht der erste Termin, den wir nicht präzise einhalten." Clements Vorstoss stiess auf scharfe Kritik der Grünen. Deren Fraktionsvize Reinhard Loske sagte: "Das wäre die grösste Blamage für den Vorreiter beim Klimaschutz."
Das Umweltministerium wollte den Vorschlag Clements nicht kommentieren. Noch am Montag hatte Regierungssprecher Béla Anda die Absicht der Bundesregierung bekräftigt, die Frist einzuhalten und den Zuteilungsplan bis zum 31. März nach Brüssel zu melden. Bei einem Verstreichen des Datums droht Berlin ein Verfahren - zunächst wird es nach Einschätzung von Beobachtern aber nur zu einer
Mahnung der EU- Kommission kommen.
Mit der Kontroverse über den Zeitplan hat sich der Streit um Emissionshandel und Klimaschutz weiter verschärft. Zuvor hatten sowohl Clement als auch Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) ihre Absicht betont, rasch zu einer Einigung zu kommen. Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen wollten am Mittwoch einen neuen Anlauf zur Beilegung des Streits unternehmen. Auf ihre Initiative kommen Clement und Trittin sowie Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) zu einem Treffen mit Fraktionsexperten zusammen. Der Bundestag wird sich am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema befassen.
Nach Ansicht der Grünen-Umweltexpertin Michaele Hustedt muss der Streit um den Klimaschutz innerhalb der SPD gelöst werden. Dies sei auch Aufgabe des neuen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering. Clement solle zu dem bereits ausgehandelten Kompromiss zurückkehren. Hustedt sagte, sachliche Gründe für Clements Verhalten sehe sie nicht. Es gebe dazu nur Spekulationen. Entweder habe der Minister keine Lust mehr und suche den Ausstieg, oder er biete sich für eine grosse Koalition an. Denkbar sei auch, "dass er sich vergaloppiert hat".
Trittin verteidigte unterdessen die von Clement zur Diskussion gestellte Ökosteuer und wies den Vorwurf einer zu starken Belastung der Industrie zurück. "In Wirklichkeit gibt es eine erhebliche Entlastung für die Wirtschaft bei den Lohnnebenkosten", sagte Trittin am Dienstag in Berlin. Befreiungen und Erleichterungen für die Wirtschaft bei der Ökosteuer würden vom Steuerzahler mit jährlich 5,6 Milliarden Euro subventioniert. Zudem zeige die Ökosteuer bei der Verringerung der Schadstoff-Emissionen im Verkehr ihre Wirkung.
Clement erneuerte die Kritik an nach seiner Ansicht überzogenen Forderungen in der Energiepolitik. Auch er sei für den Klimaschutz, betonte der Minister. "Ich bin kein Klimakiller." Aber der Emissionshandel verteuere ebenso wie die anderen Instrumente - Ökosteuer, Förderung der
Kraft-Wärme-Kopplung und der erneuerbaren Energien - die Energiepreise. Die Bundesrepublik sei beim Klimaschutz bereits Weltspitze. Aber aus der Vorreiterrolle dürfe kein Alleingang werden, weil dies die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beeinträchtige.