Stadtwerke werden grün: Kooperationen mit Ökostromanbietern
Stand: 27.02.2012
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Freiburg/Stuttgart/Schönau - Nach Ansicht von Experten können Stadtwerke bundesweit von Kooperationen mit Ökostromanbietern profitieren. Ein Modellbeispiel sind die Stadtwerke Stuttgart, die gemeinsam mit EWS ihre Kunden mit grünem Strom beliefern.
Die "Stromrebellen" erobern die erste Großstadt: Als Atomkraftgegner nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) gründeten, hat sich wohl niemand träumen lassen, dass das genossenschaftlich organisierte Unternehmen zu einem der größten Ökostromanbieter Deutschlands aufsteigt. Heute sind die EWS bundesweit als "Stromrebellen" bekannt und wollen ab Herbst auch alle Kunden der Stadtwerke Stuttgart mit umweltfreundlichem Strom beliefern.
Vor einer Woche haben die Stadtwerke die Zusammenarbeit mit EWS beschlossen. Es ist das erste Mal, dass ein lokaler Energieversorger mit einem bundesweiten Ökostromanbieter in dem Umfang kooperiert. Das Modell könnte richtungweisend sein: Der Energieexperte Christof Timpe vom Freiburger Öko-Institut glaubt, dass sich die Zusammenarbeit für beide Seiten lohnen kann. Und auch andere Ökostromanbieter zeigen Interesse.
In Stuttgart wollen die Stadtwerke und EWS eine gemeinsame Vertriebsfirma gründen. Diese soll dann die EWS beauftragen, Ökostrom einzukaufen, wie EWS-Vorstand Ursula Sladek erläutert. Wichtig sei, dass der Strom nicht von Unternehmen komme, die neben Ökostromanlagen auch Kohle- oder Atomkraftwerke betreiben. "Sonst fließt am Ende das Geld doch wieder in die Tasche der AKW-Betreiber", sagt Sladek.
Die rund 10.000 EWS-Kunden in Stuttgart sollen zu den Stadtwerken wechseln können, erläutert Sladek weiter. Der Tarif werde der gleiche sein. Zum Wechsel werde aber niemand gezwungen. "Das entscheidet jeder Kunde selbst", fügt sie hinzu.
Ökostromanbieter punkten mit Fachwissen und Glaubwürdigkeit
Dass die Kooperation zustande gekommen ist, dürfte auch daran liegen, dass die Stadtwerke Stuttgart erst seit vergangenem Sommer bestehen. Ökostromanbieter können nämlich bei neu gegründeten Stadtwerken mit ihrem über Jahre gesammelten Fachwissen punkten, wie Timpe vom Öko-Institut erläutert. Etablierte Stadtwerke hingegen täten sich eher schwer. Viele von ihnen hätten schon eigene Ökostromangebote.
"Diese sind aber in der Regel deutlicher weniger ambitioniert als die Produkte der anspruchsvollen Ökostromanbieter", sagt der Energieexperte. "Viele Kunden wechseln daher jetzt zu den Ökostromanbietern." Diese Entwicklung setze die Stadtwerke auch unter Druck. Durch eine Zusammenarbeit mit Ökostromanbietern lasse sich "Glaubwürdigkeit bündeln mit der lokalen Präsenz".
Andere Ökostromanbieter interessieren sich auch
Das Bündnis "Atomausstieg selber machen" von mehr als 20 Umweltorganisationen empfiehlt vier bundesweite Ökostromanbieter, die keine Kontakte zur Atomindustrie haben. Neben EWS sind das Lichtblick, Naturstrom und Greenpeace Energy.
Lichtblick und Naturstrom liefern keinen Strom an Stadtwerke, finden die Idee nach eigenen Angaben aber interessant. Greenpeace Energy kooperiert bereits mit vier kleineren Stadtwerken, versorgt aber nur jene Bürger, die sich für den Ökostromtarif entschieden haben. Die Stadtwerke verkaufen also auch noch anderen Strom - anders als in Stuttgart.
Das könnte der Glaubwürdigkeit von Greenpeace Energy womöglich schaden. "Wir wollen den Stadtwerken kein grünes Mäntelchen umhängen", betont eine Unternehmenssprecherin. Greenpeace Energy arbeite daher nur mit solchen Versorgern zusammen, die "glaubwürdig in Richtung 100 Prozent Erneuerbare Energien gehen".
In Stuttgart beginnen die EWS direkt bei 100 Prozent Ökostrom, müssen dafür aber bei der Kundenwerbung noch kräftig die Trommel rühren. In den kommenden drei Jahren sollen 40.000 Stromkunden gewonnen werden. Die "Stromrebellen" müssen sich also noch anstrengen, um ihre erste Großstadt zu erobern.