Stadtwerke drängen stärker ins Energiegeschäft
Stand: 27.04.2009
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Berlin - Im Konkurrenzkampf um eine klimafreundliche und bezahlbare Energieversorgung setzen deutsche Stadtwerke immer häufiger auf überregionale Kooperationen. Damit solle zugleich die Übermacht der vier Energiekonzerne E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall im Strom- und Gasgeschäft gebremst werden, bestätigte der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) am Sonntag. "Leider werden wir aber durch ein viel zu enges Gemeindewirtschaftsrecht der Länder eingeschränkt", sagte Verbandsgeschäftsführer Hans-Joachim Reck der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. Das müsse geändert werden. Die Parteien sollten sich dazu im Bundestagswahlkampf bekennen.
Aufwind spürt die Kommunalwirtschaft durch den in Umfragen ermittelten hohen Stellenwert der Versorgungssicherheit in der Bevölkerung - als Antwort auf die Finanzkrise mit Milliarden-Risiken und -Verlusten. 75 Prozent wollten einer dimap-Umfrage zufolge eher von Kommunalunternehmen versorgt werden, sagte Reck. "Mit unseren mehr als 700 Stadtwerken sichern wir den Wettbewerb. Stadtwerke beliefern die Verbraucher beim Gas zu 52 Prozent und beim Strom zu 57 Prozent." Die vier Konzerne vereinen dagegen auf der Erzeugerseite beim Strom mehr als 80 Prozent auf sich.
Einschließlich der übrigen kommunalen Versorger in den Sparten Verkehr, Breitbandverkabelung, Wasser, Abwasser und Müll erzielten die Kommunalunternehmen 2008 einen Umsatz von gut 71 Milliarden Euro. Das entspreche einem 4 Prozent-Anteil am Bruttoinlandsprodukt, sagte Reck. "Damit erreichen wir locker die Größe von E.ON und RWE und das sollte endlich einmal zur Kenntnis genommen werden. Wir sind ein Wirtschaftsfaktor mit 220 000 Beschäftigten."
Der aktuell prominenteste Fall für den Trend zur Kommunalisierung von Aufgaben ist der von E.ON geplante Verkauf seiner Tochterfirma und Stadtwerkeholding Thüga mit einem in der Branche genannten Schätzwert zwischen 3,5 und 4,0 Milliarden. Für die Übernahme interessieren sich mehrere große Stadtwerke-Konsortien. "Große Chancen sehen wir darin, dass in den nächsten zwei Jahren weit über 1000 Konzessionsverträge im Energiesektor auslaufen", sagte Reck. Statt erneuter Verträge mit privaten Gesellschaften, die dafür im Energiebereich zusammen pro Jahr Konzessionsabgaben in Höhe von 1,6 Milliarden an die Kommunen zahlen, könnten so Stadtwerke vermehrt selbst regionale Netzgesellschaften betreiben.
Gerade in der jetzigen Rezession müsse man aus wettbewerbs- und energiepolitischen Gründen die Kommunalwirtschaft stärken. "Und das geschieht nicht. Es gibt noch teilweise Beton in den Köpfen von Innenministern (der Länder), die sich weigern, das Problem der regionalen Öffnung für Stadtwerke überhaupt zu diskutieren", beklagte der Verbandsmanager. Dabei sei die kommunale Wirtschaft zuständig für die von der Klimapolitik angestrebte dezentrale Energieversorgung. Sie werde von privaten "Billigmarken" angegriffen und wehre sich nun. Für Unruhe gesorgt hatte der E.ON-Internetanbieter E-wie-Einfach.
"Stadtwerke müssen Riesenherausforderungen wie Versorgungssicherheit, Wettbewerb und ökologischen Umbau bewältigen", so der Verband. Dafür sind wirtschaftliche Kooperationen extrem wichtig. Zu reformieren seien deshalb zwei Rechtsfelder: "Das Subsidiaritätsprinzip, wonach sich die Kommunalwirtschaft heute immer dann zurücknehmen muss, wenn es Privatunternehmen vermeintlich besser machen, und das Örtlichkeitsprinzip, das regionale Expansionen für Stadtwerke eigentlich untersagt." Hier bewegten sich die ersten Kooperationsbemühungen bereits in einer rechtlichen Grauzone.