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Spiegel: Materialprobleme verzögern Start neuer Kohlekraftwerke

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: AFP | dapd

Hamburg - Das deutsche Stromnetz steht laut "Spiegel" vor einer zusätzlichen Belastungsprobe: Wegen Materialproblemen verzögert sich die Inbetriebnahme mehrerer Kohlekraftwerke, die sich momentan im Bau befinden, um Jahre. Dies meldete das Nachrichtenmagazin am Sonntag. Insgesamt könnten bis zu neun Kraftwerke betroffen sein, die zusammengenommen mehr als zehn Gigawatt Leistung bringen.

Die neuen Kraftwerke hätten für mehr Stabilität in den Netzen sorgen sollen, wo nach Ansicht einiger Fachleute in den kommenden Jahren durch die Abschaltung von Atomkraftwerken und die Umstellung auf Strom aus erneuerbaren Energien ohnehin Ausfälle drohen.

"Dieses Malheur trifft Deutschlands Stromversorgung genau zur falschen Zeit", sagte der Chef der Deutschen Energieagentur, Stefan Kohler, dem "Spiegel". Für die betroffenen Energiekonzerne sei es "eine echte Katastrophe".

Nach Informationen des Magazins sind Risse in den Dampfkesseln das Problem. Um die Effizienz der Kohlekraftwerke zu steigern, war eine neuartige, bisher nur ungenügend erprobte Stahllegierung namens T24 verwendet worden. Bekannt sind den Ingenieuren demnach Probleme an den Anlagen in Duisburg-Walsum, Hamburg-Moorburg, Boxberg und Wilhelmshaven. Betroffen könnten aber noch fünf weitere Kohlemeiler sein.

Noch ist unklar, ob nun das Szenario für den Atomausstieg überarbeitet werden muss. "Wir müssen zunächst abwarten, wann die Unternehmen die Kraftwerksprobleme in den Griff bekommen", sagte der Sprecher der Bundesnetzagentur, Rudolf Boll, dem Magazin. Dem Hersteller Hitachi Power Europe drohen nun Kompensationsforderungen.

Kraftwerkshersteller ist "vorsichtig optimistisch"

Hitachi-Sprecher Helge Schulz räumte Schwierigkeiten ein, zeigte sich aber "vorsichtig optimistisch", dass diese Probleme dank der inzwischen erzielten Erfahrungen bei den übrigen Anlagen vermieden werden könnten.

Ausgelöst worden seien die Probleme offenbar durch die Beizung des Kessels - ein übliches Reinigungsverfahren, das aber wohl die Schweißnähte des Hightech-Stahls massiv schwächte und zu Undichtigkeiten führte, wie er sagte. Beim RWE-Braunkohlekraftwerk in Neurath habe man auf diese Beizung verzichtet und der Probebetrieb verlaufe bislang erfolgreich. Das bestätigte auch ein RWE-Sprecher.

Die Bundesnetzagentur verfolgt nach eigenen Angaben das Geschehen aufmerksam. Man sei im Kontakt mit den Unternehmen, hieß es bei der Behörde. Auf die aktuelle Stromversorgungssituation hätten die T24-Probleme aber keinen Einfluss.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rechnet unterdessen mit Zusatzkosten von rund 55 Milliarden Euro infolge des beschleunigten Atomausstiegs. "Die Lücke der Stromerzeugung in Deutschland wird von bestehenden Kohle- und Gaskraftwerken gefüllt", sagte IW-Direktor Michael Hüther. Dafür sei es notwendig, bestehende Kraftwerke für Stein- und Braunkohle sowie Gas auszubauen oder zu modernisieren. Gegebenenfalls müssten sogar neue gebaut werden.

Die energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Ingrid Nestle, kritisierte den Bau neuer Kohlekraftwerke als "vorprogrammierte Fehlinvestitionen".