Siag-Pleite: Windkraftbranche steuert in die Krise
Stand: 20.03.2012
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Frankfurt/Main/Flensburg - Überall auf der Welt werden derzeit Windparks geplant. Ob an Land oder vor der Küste - Windenergie boomt. Doch die Pleite des Windkraft-Zulieferers Siag Schaaf ist ein schlechtes Zeichen. Der Windkraft könnte das gleiche Schicksal wie der deutschen Solarindustrie drohen.
Die Technologie ist anspruchsvoll, die Kosten gehen in die Milliarden und der Netzausbau kommt nur zögerlich voran - doch bescheinigen Branchenexperten der Windenergiebranche stabile Zukunftsaussichten. Vor allem der Bau von Windparks in Nord- und Ostsee birgt aus ihrer Sicht Wachstumspotenzial - er geht allerdings langsamer voran als gehofft. Die Branche selbst warnt davor, durch die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes künftig schlechter gestellt zu werden.
Etablierte Branche ohne Subventionsbedarf
"Unter den erneuerbaren Energien ist die Windenergie eine etablierte Branche, die nicht den Subventionsbedarf wie die Photovoltaik hat", sagt Norbert Schwieters von der Prüf- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers. Das größte Potenzial sieht er im Offshore-Bereich. Die technologischen Anforderungen für den Bau der Anlagen in der Nord- und Ostsee sind allerdings hoch.
"Der Bereich ist noch mitten in der Entwicklung, hat aber große Wachstumschancen", sagt Experte. 30 Offshore-Windparks sind genehmigt. 69 weitere beantragt. "Insgesamt handelt sich um ein Investitionsvolumen von über 100 Milliarden Euro, davon profitieren nicht nur die großen Anlagenbauer, sondern auch mittelständische Zulieferer des Maschinenbaus - bei Transport, Montage und in der Wartung". Zwar schließt Schwieters nicht aus, dass "wir immer mal wieder eine Insolvenz sehen, doch die Situation ist völlig anders als bei der Photovoltaik, die unter anderem unter der drastischen Kürzung der Solarförderung leidet".
Kaum mehr Kapazitäten an Land
An Land scheint der Ausbau der Windenergie dagegen weitgehend ausgereizt. In Süddeutschland gibt es noch ein gewisses Potenzial an geeigneten Flächen, in Norddeutschland dagegen kaum noch, wie Schwieters sagt. Zunehmend an Bedeutung gewinnt das sogenannte Repowering: Alte Anlagen werden durch neue leistungsstärkere ersetzt.
Auch Branchenexperte Holger Fechner von der Norddeutschen Landesbank erwartet keine große Wachstumsraten im Geschäft mit Windenergieanlagen an Land. Zugleich komme die Errichtung von Windparks auf hoher See langsamer voran als erwartet. Fechner sieht Wachstumschancen für die Branche daher vor allem im Ausland.
Netzausbau ist die Achillesferse
Der Bau von Windparks auf See verschlingt Milliarden. "Große Fonds von Versicherungen oder Pensionskassen halten sich offenbar bei der Finanzierung noch stark zurück, trotz Renditen von 8 bis 9 Prozent", so die Erfahrung Schwieters. Er vermutet als Grund ungeklärte Rechtsfragen. "Offen ist nach wie vor, wer die Risiken bei einer Verzögerung der Anbindung der Anlagen ans Stromnetz trägt. Bislang ist beim Netzausbau relativ wenig auf die Schiene gebracht worden".
Die Deutsche Energie-Agentur Dena geht davon aus, dass 3600 Kilometer Höchstspannungstrassen bis zum Jahr 2020 neu gebaut werden müssen, um den durch Windenergie erzeugten Strom zu den Kunden zu bringen. Doch der Ausbau, den Netzbetreiber wie Tennet vorfinanzieren müssen, ist teuer. Hinzu kommen langwierige Genehmigungsverfahren. "Die Zahl der erforderlichen Gutachten steigt beständig", klagt der Präsident des Bundesverbandes Windenergie, Hermann Albers. "Der Netzausbau ist die Achillesferse der Branche". Das gelte im besonderen Maße für die Windparks auf See.
Netze zwingen Windparks zum Abschalten
"Der von der Bundesregierung angestrebte Ausbau der Leistung aus Offshore-Windenergie auf 10 000 Megawatt bis 2020 ist aus unserer Sicht nicht mehr zu schaffen, wir gehen mittlerweile von 7000 Megawatt aus". Selbst Windanlagen an Land müssten wegen des mangelhaften Ausbaus der Netze immer häufiger abgeschaltet werden. Von 2009 auf 2010 habe sich die Quote um bis zu 69 Prozent erhöht.
Sorgen bereitet der Branche ein im Gesetzentwurf für die aktuelle Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes enthaltener Passus, wonach die Bundesregierung per Verordnung den Anteil der vergüteten Windstrommenge, die ins Netz eingespeist wird, kurzfristig kürzen kann. "Das verringert die Planungssicherung und erschwert die Finanzierung. Denn aus Sicht der Banken steigt das Risiko, die Finanzierung könnte entsprechend teurer werden", befürchtet Albers. Grundlage des EEG ist bisher die volle Einspeisung und Vergütung der Windenergie.
Stromkunden sollen für Netzanschluss bei Windparks zahlen
Für einen schnelleren Netzanschluss von Meereswindparks sollen nach einem Zeitungsbericht künftig die Stromkunden zahlen. Nach Informationen des "Flensburger Tageblatts" geht dies aus Vorschlägen einer Arbeitsgruppe zur Beschleunigung der Netzanbindung hervor, die Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) eingesetzt haben.
Demnach wollen die Ministerien den Windpark-Betreibern bei Verzögerungen einen "umfassenden Ersatzanspruch gegenüber den Netzgesellschaften" einräumen, damit keine langen Rechtsstreitereien drohen. Die Haftungskosten in Millionenhöhe sollen sich die Netzbetreiber wiederum vom Verbraucher zurückholen dürfen. Das könnten sie etwa direkt über die Umlage für erneuerbare Energien machen, die die Stromkunden mit ihrer Rechnung zahlen, berichtet das Blatt. Auch indirekt könnten die Kosten weitergegeben werden - über das Netzentgelt, das die Stromlieferanten zahlen, aber in der Regel auf die Kunden abwälzen.