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Seltene Vögel sorgen für Windrad-Stillstand in Ostfriesland

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Krummhörn - Eine seltene Greifvogelart sorgt in Ostfriesland für ordentlich Zoff und stillstehende Windkraftanlagen. Denn weil die bedrohte Wiesenweihe in der Nähe von zwei Windrädern brütet, müssen diese weitgehend außer Betrieb bleiben. Mit dem Streit müssen sich nun auch die Gerichte befassen - ein Fall mit bundesweiter Symbolwirkung?

Im ostfriesischen Krummhörn herrscht selten Flaute. Seit Jahrhunderten bläst der Wind mit zuverlässiger Kraft, wie die vielen historischen Windmühlen am nordwestlichsten Zipfel von Deutschland beweisen. Das macht die Region zum idealen Standort für den Ausbau der Windenergie: Schon heute liefern dort rund 160 Anlagen mehr klimafreundlichen Strom als die Gemeinde verbrauchen kann. Doch seit einiger Zeit stehen zwei Windräder weitgehend still.

Wiesenweihe nistet in der Nähe der Windräder

Schuld ist die Wiesenweihe. Der vom Aussterben bedrohte Greifvögel hat sich ausgerechnet ein Areal zum Brüten ausgesucht, in dem zwei Windparks direkt nebeneinanderstehen. Nach Ansicht des Landkreises Aurich gilt es, das seltene Tier zu schützen. Deshalb dürfen zwei in der Nähe der Nistplätze stehende Windräder zurzeit zwischen 4.00 und 22.00 Uhr nicht laufen. Ein bundesweit einmaliger Fall, der für viel Zoff in der Region sorgt und inzwischen auch die Justiz beschäftigt.

Eins der beiden Windräder gehört einer Tochtergesellschaft der Gemeinde. Einnahmen von mindestens 60.000 Euro gehen dieser wegen des vorübergehenden Betriebsstopps durch die Lappen, wie Bürgermeister Johann Saathoff erläutert. Der SPD-Politiker ist deshalb gar nicht gut auf den knapp 50 Zentimeter großen Vogel zu sprechen. "Ich habe das Brutpaar noch nicht gesehen. Es soll Fotos von einem Nest geben, aber auch die kenne ich nicht."

Gerade mal 400 Brutpaare der Wiesenweihe leben nach Angaben des Naturschutzbundes NABU in Deutschland. Vor einigen Jahren zählten Vogelexperten im westlichen Ostfriesland 14 Paare, heute sind es nur noch sechs. Dabei brütet die Wiesenweihe bereits seit den 70er Jahren in der beschaulichen Gegend, die bei Touristen vor allem wegen des malerischen Fischerdorfs Greetsiel und des aus dem "Otto"-Film bekannten Pilsumer Leuchtturms beliebt ist.

Windparks sind gefährlich für Greifvögel

Die Landwirtschaft nimmt dem habichtartigen Vogel den Lebensraum. Doch auch mit den Windparks gibt es Probleme, seitdem im vergangenen Jahr höhere Anlagen installiert wurden. Kurze Zeit später musste Rolf Baum vom Arbeitskreis Wiesenweihe die ersten Opfer beklagen. Ein Wiesenweihe-Männchen lag tot unter einem Windrad. Zwei verschwanden spurlos - und das mitten in der Brutzeit, wo die Vögel ihre Partner normalerweise nie im Stich lassen. "Da liegt der Verdacht nahe, dass auch hier die Windparks verantwortlich sind", sagt der Vogelfreund.

Dass Windräder zu Todesfallen für Wiesenweihen und andere Greifvögel werden, kommt immer wieder vor. "Sie erkennen einfach nicht die Gefahr", sagt der Vogelexperte Hermann Hötker vom Michael-Otto-Institut des NABU. Normalerweise sollten deshalb keine Windparks in Nähe von bekannten Brutgebieten stehen. Doch vermeiden lässt sich das nicht immer. "Das Problem kann sein, dass sich Wiesenweihen umsiedeln. Sie sind sehr unstet, was die Nistplatzwahl betrifft", erläutert Hötker.

Vielzahl von Gutachten nötig

Der Vogel könnte also überall in Deutschland Windräder zum Stillstand bringen. Doch bislang ist das nach Angaben des Bundesverbands Windenergie noch nicht vorgekommen. "Das ist ein Einzelfall und sollte es auch bleiben", meint Sprecher Alexander Sewohl. Mit Sorge betrachtet er die vielen Gutachten, die Planer vor dem Bau von Windparks zur Beeinträchtigung von verschiedenen Vogelarten und Fledermäusen erbringen müssen. "Das hat in den letzten Jahren zugenommen." Die Gutachten seien zwar wichtig, dürften aber nicht dazuführen, dass der Ausbau der Windenergie ins Stocken gerät.

Die Gemeinde Krummhörn sieht sich jedenfalls im Recht und hat Beschwerde vor Gericht eingelegt. "Es geht hier um die Beschränkung von Eigentumsrechten", sagt Saathoff. In erster Instanz ist die Kommune bereits gescheitert. Nun muss sich das Oberverwaltungsgericht Lüneburg im Eilverfahren mit dem Fall befassen. Ob es bis zum 1. August eine Entscheidung fällt, ist fraglich. Dann endet die Ende Mai verhängte Schonfrist für die brütenden Greifvögel.

Der Konflikt ist damit aber nicht gelöst. Im nächsten Frühjahr wird die Wiesenweihe wieder brüten - vielleicht erneut in der Nähe der Krummhörner Windparks, vielleicht woanders.