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Schwerer Abschied - Das Saarland streitet über die Kohle

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: Verivox | dpa

Saarbrücken (dpa) - Die Kohle lässt die Saarländer nicht los. Obwohl das Ende der deutschen Steinkohleförderung beschlossene Sache ist und zum Ausstiegstermin 2018 die letzten Zechen im Saarland vermutlich schon seit Jahren stillliegen werden. Heute beherrschen der Abbau, aber auch Pläne für ein neues Großkraftwerk die Debatte im Land. Der Streit um die Steinkohle spaltet das einstige Revier. Dabei bauen die Bergleute der Deutschen Steinkohle AG (DSK) nur noch in einem Feld Steinkohle ab.

"Primsmulde Süd" heißt das Gebiet. Seit dort gefördert wird, spüren die Menschen die Folgen unmittelbar: Die Erde bebt, zuletzt am vergangenen Mittwoch mit einer Stärke von 3,4. Die schweren Erschütterungen rauben den Betroffenen den letzen Nerv, beschädigen Häuser und werfen Möbel um. Wütende Initiativen wollen nicht mehr ausschließen, dass manche Bürger zur Gewalt greifen. "Wir haben Angst, dass die Gewaltbereitschaft an der Basis zunimmt", sagt Peter Lehnert, Sprecher des Landesverbands der Bergbaubetroffenen Saarland.

Doch nicht nur die ständigen Beben versetzen die Menschen rund um den Ort Saarwellingen in Rage. Auch dass die DSK ein neues Feld erschließen will, verärgert die Anwohner. Getrieben von der kippenden Stimmung fordert die regierende CDU ein Ende der Beben und droht mit Konsequenzen. Das Bergamt macht Druck und fordert "umgehend" und "unverzüglich" eine Lösung, sonst verfüge man einen Abbaustopp. Doch die Verantwortlichen der DSK sind mit ihrem Latein am Ende: "Wir kennen keine Maßnahmen", sagt der müde wirkende Sprecher.

Seit Jahren probiere man, die Erderschütterungen so gering wie möglich zu halten. Doch verhindern ließen sich die Beben nicht. Die Kohle aber werde dringend gebraucht, sagt die DSK. Ein Stopp bedeute Kurzarbeit. Rund 5000 Arbeitsplätze seien in Gefahr und den saarländischen Kraftwerken, die "just-in-time" beliefert würden, ginge rasch die Kohle aus. Sozialverträglich ließe sich der Bergbau nur abwickeln, wenn bis mindestens 2014 gefördert werde. Doch ob es unter den jetzigen Umständen zu einer Genehmigung dafür und der Ausbeutung des nächsten Feldes Primsmulde Nord kommt, ist offen.

Nur wenige Kilometer entfernt geht es ebenfalls um Kohle - im doppelten Wortsinn. RWE Power will in der 7000-Einwohner-Gemeinde Ensdorf, dem Sitz des einzig verbliebenen Saar-Bergwerks, ein neues Superkraftwerk bauen. Rund 2,3 Milliarden Euro will sich der Energieriese das Projekt kosten lassen, mehr als 350 neue Arbeitsplätze schaffen. Doch die Bürger sind gespalten.

Befürworter sehen in dem Projekt wie RWE das "modernste Steinkohlekraftwerk der Welt" mit Arbeitsplatzgarantie, Kritiker eine gesundheitsgefährdende "Dreckschleuder". "Der Strom geht nach Frankreich, das Geld geht an die RWE und der Dreck bleibt bei uns", heißt es bei den Gegnern des Projekts, zu denen neben Bürger-, Ärzte- und Umweltinitiativen auch die Bergbaubetroffenen gehören. Denn die fürchten, dass Kraftwerk könne auch mit Saar-Kohle betrieben werden - ein schnellerer Ausstieg wäre dann noch unwahrscheinlicher.

Kommende Wochen dürfen die Ensdorfer Bürger über das Projekt entscheiden. Stimmen sie bei einer Beteiligung von mehr als zwei Dritteln dagegen, ist das Projekt gestorben - eine Horrorvorstellung für Gewerkschaften, Unternehmensverbände und die Landesregierung. "Welcher Investor", so heißt es, "wird sich dann noch überlegen, das Saarland als Standort für größere industrielle Investitionen zu wählen?" Der Politik und vor allem der regierenden CDU wäre ein rasches Ende des Streits am liebsten. Denn längst setzen die Saarländer auf Bio- und Nanotechnologie oder die IT-Branche. Doch der Abschied von der Steinkohle wird das Land noch lange in Atem halten.