Schweizer Studie: kein höheres Krebsrisiko in AKW-Nähe
Stand: 12.07.2011
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa
Bern - Nach Ansicht von schweizer Wissenschaftlern besteht im Umkreis vom Atomkraftwerken kein erhöhtes Risiko für Kinder, an Krebs zu erkranken. Für eine Studie wurden Daten von mehr als 1,3 Millionen Kindern von null bis 15 Jahren, die in der Nähe der fünf Schweizer Atomkraftwerke leben, von Forschern der Universität Bern untersucht. Dies teilte die Universität am Dienstag mit.
"Das Risiko einer kindlichen Krebserkrankung im Umkreis von Schweizer Kernanlagen unterscheidet sich kaum vom Risiko, welches auch weiter entfernt wohnende Kinder haben", sagt Forschungsleiter Matthias Egger. Die beobachteten Abweichungen der einzelnen Gebiete seien so klein, dass sie am ehesten durch Zufall erklärt werden könnten.
Eine im Dezember 2007 veröffentlichte Studie aus Deutschland zeigte hingegen ein erhöhtes Krebsrisiko bei Kindern, die im Umkreis von fünf Kilometern von Kernkraftwerken wohnen. Das Risiko war insbesondere für Leukämie bei Kleinkindern erhöht. Was aber letztlich die Erkrankung auslöst, war in der vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Auftrag gegebenen Studie offen geblieben.
Das Team des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Uni Bern verglich für die neue Studie das Risiko für Leukämie und andere Krebsarten bei Kindern, die in der Nähe von Atomkraftwerken geboren wurden, mit jenem von Kindern, die weiter entfernt auf die Welt kamen. Bei Kindern im Alter von unter fünf Jahren wurden von 1985 bis 2009 in der Schweiz 573 Leukämie-Fälle diagnostiziert. Die meisten - 522 - traten bei Kindern auf, die mehr als 15 Kilometer von einem Atomkraftwerk auf die Welt kamen.
Im Gebiet bis fünf Kilometer vom Werk entfernt wären demnach 6,8 Leukämie-Fälle zu erwarten gewesen. Tatsächlich fanden die Forscher in dieser werksnahen Zone 8 Fälle, also etwa 20 Prozent mehr als erwartet. Wegen der wenigen Fälle sage diese Zahl aber wenig aus, sagte Egger. Die Forscher könnten weder ausschließen, dass Atomkraftwerke das Leukämierisiko verminderten, noch dass sie das Risiko erhöhten. Man habe jede Menge Fallstudien gemacht. "Wir denken, dass die Unterschiede mit dem Zufall vereinbar sind", sagte Egger.
Auch die Autoren der deutschen KiKK-Studie ("Epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kern-Kraftwerken") hatten keine gesicherten Aussagen über die Ursachen des vermehrten Auftretens von Krebserkrankungen bei diesen Kindern gemacht. Das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz betonte damals, "dass die Studie keinen Beweis für einen Zusammenhang zwischen dem Betrieb einer kerntechnischen Anlage und den erhöhten Leukämiefällen darstellt".
Die Schweiz betreibt an vier Orten insgesamt fünf Kernkraftwerke, die bis auf eines alle in der Nähe zur deutschen Grenze liegen. Sie erzeugen etwa 40 Prozent der schweizerischen Stromproduktion. Rund ein Prozent der Schweizer Bevölkerung lebt im Umkreis von fünf Kilometern und zehn Prozent im Umkreis von 15 Kilometern eines Atomkraftwerks. Hinzu kommen vier Forschungsreaktoren und ein Zwischenlager. Nach der Regierung hatte sich auch das Schweizer Parlament für einen Atomausstieg nach 2019 ausgesprochen.