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Schweden: Wiedereinstieg in die Atomkraft

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Stockholm - Die Atomkraft erlebt in Schweden eine Renaissance: 30 Jahre nach dem Beschluss zum Atomausstieg stimmt der schwedische Reichstag am kommenden Donnerstag über die Wiederzulassung von Reaktor-Neubauten ab. Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt wird voraussichtlich eine knappe Mehrheit haben. Einige Abgeordnete des Koalitionspartners Zentrumspartei, welche der Atomkraft traditionell kritisch gegenübersteht, gelten als Wackelkandidaten.

Ihr Widerwille gegen das von der Bürger-Koalition im Grundsatz beschlossene "Ja" zur Atomkraft dürfte in den letzten Tagen nicht geringer geworden sein. Drei Tage vor der Abstimmung konnten 50 Greenpeace-Aktivisten mal eben mit Hilfe einer langen Leiter von einem ausgedienten Feuerwehrwagen auf das Gelände des Kernkraftwerkes Forsmark vordringen. Man wolle vor der Abstimmung im Parlament doch noch mal auf die Gefahren der Atomkraft hinweisen, sagte ein Sprecher. Das gelang glänzend, wie auch Umweltminister Andreas Carlgren postwendend einräumte: "Die Aktivisten haben uns böse Löcher im Sicherheitssystem aufgezeigt. Das geht so nicht, da muss nachgebessert werden."

Die vom Vattenfall-Konzern betriebene Forsmark-Anlage an der Ostseeküste ist in den letzten Jahren zu einem Symbol für das alles andere als positive Image der schwedischen Atomindustrie geworden. Immer neue Pannen und immer peinlichere Eingeständnisse eines "Verfalls der Sicherheitskultur" kamen auch von der Betreiber-Spitze. Allerdings fiel die Aufregung darüber in Deutschland, wo Vattenfall mit Pannenserien seiner Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel zu kämpfen hat, wesentlich größer aus als in Schweden selbst.

Auch das half der Atomindustrie, schrittweise den langfristigen Erhalt der drei existierenden Anlagen mit umfangreichen Investitionen zu sichern. Wenn nun einer der insgesamt zehn Reaktoren in Oskarshamn, Ringhals oder Forsmark stillgelegt wird, kann nach der von Reinfeldt betriebenen Neuregelung grünes Licht für Ersatzbauten gegeben werden.

Vor allem mit Klimazielen begründet der konservative Regierungschef das, aber auch damit, dass der Bedarf der schwedischen Exportindustrie mit ihren Volvo- und Papierfabriken an billiger Energie anders nicht gedeckt werden könne. Kritiker sollen mit verstärkten Investitionen in erneuerbare Energien, schärferen Steuern auf Klimagase und die schnelle Umstellung des schwedischen Autoparks auf Alternativen zu Benzin beruhigt werden.

Etwa zur Hälfte kommt schwedischer Strom aus Wasserkraft- und Atomkraftwerken. Daran hat sich seit dem Referendum 1980 wenig geändert, als die Schweden nach dem Unglück im US-Atomreaktor Three Mile Island mehrheitlich für einen Schlussstrich unter die Atomkraft stimmten.

Weder sozialdemokratische noch bürgerliche Regierungen setzten den Volksentscheid danach wirklich in praktische Politik um. Die endgültige Stilllegung des Atomkraftwerkes Barsebäck bis 2005 galt teils als "Bauernopfer" für die Atomkraftgegner, vor allem aber auch als unausweichliche Korrektur einer katastrophal falschen Platzierung: Die zwei Reaktoren lagen direkt neben der Großstadt Malmö und nur 20 Kilometer entfernt von der Millionen-Metropole Kopenhagen am dänischen Ufer des Öresund.

Greenpeace appellierte nach der erfolgreichen Forsmark-Besetzung noch einmal: "Der Reichstag sollte für erneuerbare Energien stimmen statt für die gefährliche Atomkraft, die uns für 100 000 Jahre mit strahlendem Abfall belastet." Die oppositionellen Sozialdemokraten wollen die erwartete Entscheidung des Reichstags wieder rückgängig machen, wenn sie die Wahlen im September gewinnen. Nach Umfragen gilt der Wahlausgang als offen.