Schweden revidiert Atomausstieg
Stand: 18.06.2010
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Stockholm - Schweden hat seinen Ausstieg aus der Kernkraft revidiert: Mit einer extrem knappen Mehrheit von 174 zu 172 Stimmen hob der Reichstag in Stockholm das Bauverbot für Atomreaktoren auf. Vor 30 Jahre hatte Schweden als weltweit erstes Land einen Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Die Entscheidung wurde vom Betreiber der schwedischen Atomkraftwerke, Vattenfall, dem deutschen E.ON-Konzern und Fortum aus Finnland begrüßt. Greenpeace und andere Umweltorganisationen kündigten Protestaktionen an.
Nach dem Reichstagsbeschluss vom Donnerstagabend darf es nun im Falle der Stilllegung von einem der zur Zeit zehn Reaktoren in den drei Kraftwerken Forsmark, Oskarshamn und Ringhals Neubauten geben. Nach einer Volksabstimmung über den Ausstieg aus der Kernkraft 1980 hatte der Reichstag seinerzeit jeden Neubau von Atomanlagen ausdrücklich verboten.
Zur Aufhebung dieses Verbots meinte Umweltminister Andreas Carlgren: "Vor ein paar Monaten hat die Bedrohung des Klimas die Umweltdebatte beherrscht. Jetzt ist es die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko. Wir müssen die Abhängigkeit von Öl und fossiler Energie beenden."
Zwei Abgeordnete aus Carlgrens eigener Zentrumspartei stimmten gegen die Regierungsvorlage. Erst durch die Entscheidung eines dritten Atomkraftkritikers aus dieser Partei konnte Reinfeldts Koalition aus Konservativen, der liberalen Volkspartei, den Christdemokraten und dem Zentrum eine Mehrheit für die Abstimmung sichern.
Für die Opposition meinte die Parteichefin der Grünen, Maria Wetterstrand: "Mit dieser Entscheidung machen wir uns für 100 Jahre von der Kernkraft abhängig. Und für 100 000 Jahre erlegen wir den folgenden Generationen auf, dass sie mit den Gefahren des Atommülls leben müssen."
Die sozialdemokratische Oppositionschefin Mona Sahlin will den Pro-Atomkraft-Beschluss im Falle eines Regierungswechsels nach den Wahlen im September wieder aufheben. Nach Umfragen gilt das Rennen zwischen ihrem Lager mit Grünen sowie der Linkspartei gegenüber Reinfeldts Bürger-Alllianz als offen. Umfragen zur Atomkraft haben zuletzt Mehrheiten für die Beibehaltung gebracht. Das Thema gilt nicht als zentral für den bevorstehenden Wahlkampf.
Schwedens drei Atomkraftwerke Forsmark, Ringhals und Oskarshamn mit ihren zehn Reaktoren decken knapp die Hälfte des heimischen Strombedarfs. Für etwaige Neubauten hat der Reichstag staatliche Subventionen verboten. Er hob auch die bisherigen Haftungsgrenzen bei Schadensfällen für die Betreiber von Atomkraftwerken auf. Sie müssen künftig in unbegrenzter Höhe haften.