Scharfe Kritik an geplanten Castor-Transporten nach Russland
Stand: 10.11.2010
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Dresden/Berlin - Der geplante Atommüll-Transport aus Deutschland in eine russische Wiederaufarbeitungsanlage hat für massive Kritik an der Entsorgungspolitik der Bundesregierung gesorgt.
Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, sprach am Dienstag von einer "hochgefährlichen Fracht". "Dass jetzt aus Ahaus Material nach Russland geschickt werden soll, ist für uns nicht akzeptabel", sagte sie. Auch die SPD wandte sich gegen die Pläne von Schwarz-Gelb. "Das ist unverantwortlich und ein Akt der politischen Feigheit. Es ist die Aufgabe eines jeden Landes, den eigenen Atommüll selbst zu entsorgen", erklärte SPD-Chef Sigmar Gabriel in Berlin.
Die atomare Fracht stammt ursprünglich aus dem früheren DDR-Kernforschungszentrum Rossendorf bei Dresden. Sachsen hatte die 951 Brennelemente im Frühjahr 2005 mit 18 Castor-Behältern ins münsterländische Zwischenlager Ahaus bringen lassen, da Rossendorf als Zwischenlager nicht zugelassen war.
Der Antrag enthielt die Formulierung, den Atommüll bis zur Abgabe an ein Endlager des Bundes in Ahaus zu belassen. Von einem Transport nach Russland in die Wiederaufarbeitungsanlage Majak war damals keine Rede. Die Nutzungsrechte für Ahaus gelten bis zum 31. Dezember 2036.
Dies löste am Dienstag auch Nachfragen des Bundesamtes für Strahlenschutz aus. Der geplante Transport werfe "übergeordnete Fragen des Strahlenschutzes sowie der Begründung früherer Genehmigungen auf", hieß es in einer Stellungnahme.
Im September hatte das Amt die Genehmigung für den Transport auf deutschem Territorium erteilt. Der Atommüll soll bis zu einem Hafen gebracht werden und dann per Schiff nach Russland gehen. Für die Ausfuhr ist das Bundesamt für Ausfuhr und Wirtschaftskontrolle zuständig. Die Genehmigung liegt offiziell noch nicht vor.
Russische Umweltschutzorganisationen forderten unterdessen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, den Atommüll im eigenen Land zu entsorgen. Die Regierungsvereinbarung über den Transport von fast 1000 Brennelementen aus dem Zwischenlager Ahaus ins Atomzentrum Majak am Ural sei "unverantwortlich". Schon heute gehöre die Region Tscheljabinsk zu den am schwersten radioaktiv verseuchten der Welt, hieß es in einem in Moskau veröffentlichten Brief an Merkel.
Wann genau die Castoren auf die Reise gehen sollen, ist bisher nicht bekannt. Das sächsische Wissenschaftsministeriums schloss am Dienstag lediglich einen Transport im November aus. Ein genauer Zeitpunkt werde ebensowenig genannt wie die exakte Route, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Allgemein wird angenommen, dass die Überführung nach Russland bis zum Jahresende erfolgt. Sachsen zahlt für den Transport etwa 35 Millionen Euro.
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte am Dienstag mit einem Bericht über die bereits bekannten Castor-Transporte neue Forderungen nach einem Stopp ausgelöst. Das deutsch-russische Abkommen für den Transport sei unterschriftsreif, hieß es. Grundlage sei ein Abkommen Russlands mit den USA über die Rückholung von Brennelementen aus Forschungsreaktoren, die einst von der Sowjetunion bestückt worden waren. Damit soll waffenfähiges Uran eingesammelt werden. Mehrere einstige Warschauer-Pakt-Staaten nutzten das.
Bislang wurde nach Angaben der Bundesregierung aus 17 Staaten hochangereichertes Uran zurück in die USA oder in die russische Föderation gebracht. Aus den Forschungsreaktoren Berlin, Geesthacht und Jülich wurden 126 bestrahlte Brennelemente in die USA zum dortigen Verbleib transportiert.
Vor der Rückführung muss das Empfängerland Nachweise über eine sichere Lagerung vorweisen. Diese wollen die deutschen Behörden nach eigenen Angaben "eingehend" prüfen.