RWE verabschiedet sich von der Atomkraft
Stand: 18.06.2012
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa | AFP
Essen/Düsseldorf - Deutschlands zweitgrößter Energiekonzern RWE verabschiedet sich weltweit von der Kernkraft. RWE will keine neuen Atomkraftwerke mehr bauen und setzt stattdessen auf Solarenergie. E.ON hingegen hält an einem AKW-Projekt in Finnland fest.
Der Energieriese RWE zieht sich nach der Energiewende in Deutschland auch aus dem internationalen Atomgeschäft zurück. RWE werde keine Akw im Ausland mehr bauen, sagte eine Konzernsprecherin am Montag. Der neue Konzernchef Peter Terium, der zum Juli den Posten vom Atom-Verfechter Jürgen Großmann übernimmt, will das Unternehmen gründlich umbauen und prüft der Sprecherin zufolge Investitionen in die Solarenergie.
Der Essener Energiekonzern wolle sich international nicht mehr am Bau von Atomkraftwerken beteiligen, weil die finanziellen Risiken für derartige Großprojekte zu groß seien, berichtete die "Süddeutsche Zeitung". Sie berief sich auf Teilnehmer eines Führungstreffens in Istanbul, bei dem Terium am Wochenende seine neue Strategie vorstellte. Nach Angaben aus Konzernkreisen machten demnach auch Ratingagenturen in den vergangenen Monaten deutlich, dass im Falle weiterer nuklearer Risiken eine Abstufung der Kreditwürdigkeit drohe.
E.ON hält an AKW-Projekten fest
Erhebliche Verzögerungen beim Bau neuer Kernkraftwerke in Frankreich und Finnland hatten zuletzt gezeigt, wie riskant Investitionen in die Technologie sind. In Finnland wird der erste Europäische Druckwasserreaktor (EPR) gebaut, der Mitte 2009 ans Netz gehen sollte und immer noch nicht fertig ist. In Frankreich verzögert sich die für 2012 geplante Inbetriebnahme des EPR in Flamanville bis mindestens 2016.
Ende März hatten RWE und sein Rivale E.ON auf den geplanten gemeinsamen Neubau von zwei Kernkraftwerken in Großbritannien verzichtet. Für das von den Konzernen zu diesem Zweck 2009 gegründete Gemeinschaftsunternehmen Horizon Nuclear Power wird ein neuer Eigentümer gesucht. Außer bei diesem Joint Venture hatte RWE zuletzt keine konkreten Baupläne für Akw im Ausland. Der Düsseldorfer Konkurrent E.ON hält hingegen weiter an einem AKW-Projekt in Finnland fest. Es gehe bei den Planungen um eine 30-prozentige Beteiligung, sagte ein E.ON-Sprecher am Montag in Düsseldorf. Wann eine Entscheidung fallen werde, sei derzeit noch unklar.
Neubewertung der Solarenergie
Beim Thema Solarenergie durchlaufe RWE eine Phase der Neubewertung, erklärte Terium laut "SZ" bei dem Managertreffen. So wolle sich RWE künftig auch bei Solarkraftwerken in Deutschland engagieren und ins Geschäft mit Privatkunden einsteigen. Konkret solle es dabei auch um den Bau von Kraftwerken zusammen mit Stadtwerken gehen sowie um mehrere neue Geschäftsfelder für Privatkunden. Dieser Schwenk werde auch von den einflussreichen kommunalen Aktionären des Konzerns befürwortet.
Terium übernimmt zum 1. Juli den Vorstandsvorsitz. Mit seiner neuen Strategie zieht er einen Schlussstrich unter den Kurs Großmanns, der sich massiv für die Atomenergie eingesetzt hatte. Der Naturschutzbund (Nabu) hatte Großmann 2010 deshalb zum "Dinosaurier des Jahres" gekürt.
RWE betreibt "Risiko-Kraftwerke"
Der Sprecher der Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt, Jochen Stay, forderte, RWE müsse auch im Inland einen Kurswechsel vollziehen. Die RWE-Akw im bayerischen Grundremmingen und in Lingen/Ems müssten schon jetzt stillgelegt werden, weil es sich um "Risiko-Kraftwerke" handele. Trotz der begrüßenswerten Entscheidung zu Atominvestitionen im Ausland bleibe RWE "einer der größten Atommüll-Produzenten Deutschlands".
Die Bundesregierung hatte im Sommer 2011 in Folge der Atomkatastrophe von Fukushima den stufenweisen Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen, der die Abschaltung aller Meiler in Deutschland bis zum Jahr 2022 vorsieht. Einem Pressebericht zufolge wollen die deutschen Energiekonzerne rund 15 Milliarden Euro Schadenersatz für den Atomausstieg einklagen.