RWE denkt laut über Wiederanfahren von Biblis B nach
Stand: 14.06.2011
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Essen - Der Atomkonzern RWE steht unmittelbar vor einer Entscheidung über ein mögliches Wiederanfahren des südhessischen Reaktors Biblis B nach Ende des Atomkraft-Moratoriums. Das sagte ein Sprecher des Betreiberkonzerns RWE am Montag in Essen. SPD und Grüne in Hessen ärgerten sich über die Erwägungen des Unternehmens, das sie als "unverantwortlich" und "unverschämt" geißelten. Offen drohten sie RWE mit einem Stromboykott.
Von der Entscheidung des Konzerns hängt ab, ob der Meiler nach Ende des dreimonatigen Moratoriums der Bundesregierung in der kommenden Woche vorübergehend noch einmal Strom produziert, bis das Abschalten der sieben damit stillgelegten ältesten Reaktoren endgültig entschieden ist. Dazu müssten verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, sagte der Sprecher. Einzelheiten wollte er aber nicht nennen.
Sollte sich der Energiekonzern dafür entscheiden, könnte Biblis B voraussichtlich noch für einige Wochen ans Netz gehen. Bis Bundestag und Bundesrat über den Ausstieg aus der Kernenergie und die endgültige Stilllegung der sieben abgeschalteten Altreaktoren entschieden haben, dürfte es Mitte Juli werden.
Zudem gibt es noch Überlegungen, Biblis B oder den Atommeiler Philippsburg 1 in Baden-Württemberg als "Kaltreserve" noch zwei Jahre am Netz zu lassen, um mögliche Engpässe bei der Stromversorgung zu überbrücken. Zuletzt hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder aber entschieden, dafür nach Möglichkeit ein Kohle- oder Gaskraftwerk zu nehmen. Die endgültige Entscheidung trifft die Bundesnetzagentur.
Keine Aussage zu Biblis A
Von einem Wiederanfahren des ältesten deutschen Meilers Biblis A war bislang keine Rede. Der RWE-Sprecher wollte sich dazu am Samstag auf Nachfrage jedoch nicht äußern.
Der hessische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel warf dem Essener Energiekonzern ein "unverantwortliches Manöver gegen den Willen und das Sicherheitsbedürfnis der Menschen in Deutschland und Hessen" vor. "Der Altmeiler darf nicht wieder hochgefahren werden", erklärte er. Dass RWE offenbar damit liebäugele, nun die zeitliche Lücke zwischen dem Ende des Moratoriums und der Vorlage des reformierten Atomgesetzes Mitte Juli zu nutzen, um an allen Debatten vorbei das Kraftwerk wieder einzuschalten, zeige, "mit welcher Arroganz und Ignoranz beim Energieriesen RWE mit politischen Prozessen in Deutschland umgegangen wird".
Es scheine, als nähmen die RWE-Oberen den koalitionsübergreifenden Willen zur Energiewende überhaupt nicht ernst und warteten nur darauf, "noch schnell ein paar Atom-Euro zu machen", sagte Schäfer-Gümbel. Wörtlich fügte der Partei- und Fraktionschef der hessischen SPD hinzu: "Sollte sich RWE tatsächlich über die Bedürfnisse der Menschen hinwegsetzen, kann ich allen RWE-Kundinnen und Kunden nur empfehlen, mit den Füßen gegen diesen Atomdespotismus abzustimmen und den Anbieter zu wechseln." Zudem forderte Schäfer-Gümbel die Landes- und Bundesregierung auf, hart gegen den Betreiber des AKW Biblis vorzugehen.
RWE-Chef Großmann als "Energie-Rambo"
Der hessische Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir reagierte ebenfalls mit "großer Verärgerung" auf die Aussagen des Energiekonzerns. "Wir warnen RWE davor, gegen den einmütigen Willen des Hessischen Landtags und des Deutschen Bundestags und der Mehrheit der deutschen Bevölkerung das Schrott-AKW Biblis noch einmal vor der endgültigen Stilllegung für ein paar Wochen anzufahren", erklärte er.
Schließlich habe E.ON im Gegensatz dazu bereits erklärt, auf derartige Tricks verzichten zu wollen. RWE-Chef Jürgen Großmann geriere sich einmal wieder als "der Rambo der Energiebranche", kritisierte Al-Wazir. "Bei einem solchen Vorgehen ist es nachvollziehbar, wenn noch mehr Kundinnen und Kunden künftig den RWE-Konzern boykottieren", fügte der Grünen-Politiker hinzu.