RWE: Biblis-Ausstieg könnte finanziell attraktiv sein
Stand: 18.04.2011
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dapd
Hamburg - Der Energieriese RWE könnte bei einer Abschaltung der Atomreaktoren in Biblis mittelfristig mehr Geld verdienen als bei deren Weiterbetrieb. Ein Unternehmenssprecher bestätigte am Wochenende auf dapd-Anfrage einen entsprechenden Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Voraussetzung hierfür sei aber, dass der Strompreis steige, so der Sprecher.
Das Nachrichtenmagazin berief sich auf ein im Sommer 2010 erstelltes Szenario. Demnach würde ein Abschalten der Meiler die Strommenge verknappen und den Strompreis steigen lassen. Davon würden die nur teilweise ausgelasteten Kohlekraftwerke des Konzerns profitieren. Die Zusatzgewinne dort könnten laut RWE-Szenario die Ausfälle in Biblis mittelfristig deutlich übersteigen, zumal der Bund durch die Brennelementesteuer Teile des Atomgewinns abschöpfe, schrieb das Magazin.
Der RWE-Sprecher sagte, mittelfristig sei ein solcher Effekt zwar denkbar. Es sei aber unklar, ob die Strompreise tatsächlich entsprechend steigen. Es sei ebenfalls denkbar, dass die durch den Ausstieg fehlenden Strommengen durch Importe aus dem Ausland ausgeglichen würden. Klar sei hingegen, dass RWE durch das Moratorium der Bundesregierung kurzfristig Verluste in dreistelliger Millionenhöhe zu verkraften habe.
Das Szenario wurde laut Magazin auch dem Aufsichtsrat zugeleitet. Die Kontrolleure wollen RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann auf einer Sitzung am Dienstag zu seinen Plänen befragen. Am Mittwoch findet die RWE-Hauptversammlung statt.
Der RWE-Vorstand für erneuerbare Energien, Fritz Vahrenholt, warnte vor einem Stromkollaps und der Vertreibung der Industrie aus Deutschland durch eine vorgezogene Energiewende. Statt Atommeiler abzuschalten, müsse die Bundesregierung erst ein Sofortprogramm zum Netzausbau inklusive ortsnaher Speicher starten, sagte Vahrenholt der "Wirtschaftswoche". Ein begleitendes Gesetz müsse zudem Einspruchsrechte begrenzen und Verbandsklagen ausschließen.
Die Herstellungskosten für Strom aus erneuerbaren Energien werden sich laut Vahrenholt frühestens in einigen Jahren dem Niveau des Atomstroms annähern. Dabei nütze es wenig, wenn die Bürger bereit seien, mehr Geld für grünen Strom zu zahlen. "Es wird leider immer vergessen, dass zwei Drittel des Stroms Industrie und Gewerbe abnehmen. Jeder Cent, den sie mehr zahlen müssen, schmälert ihre Wettbewerbsfähigkeit", sagte Vahrenholt. Würde Deutschland alle Atommeiler vom Netz nehmen, "würde ich mir als internationaler Investor genau überlegen, ob ich einen energieintensiven Betrieb noch in Deutschland ansiedle", betonte der RWE-Vorstand.