Röttgens Vorstoß zu raschem Atomausstieg löst in der Koalition Streit aus
Stand: 08.02.2010
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München - Mit der Forderung nach einem möglichst raschen Atomausstieg hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) in seiner eigenen Partei Stimmen der Empörung provoziert. Die gesellschaftlichen Widerstände gegen Atomkraft seien in Deutschland zu groß, sagte Röttgen der "Süddeutschen Zeitung" (Wochenendausgabe). Gleich mehrere Mitglieder der Bundestagsfraktion und Landesministerinnen erinnerten den Minister an den Koalitionsvertrag.
Röttgen sagte der "SZ", seine Partei müsse sich "gut überlegen, ob sie gerade die Kernenergie zu einem Alleinstellungsmerkmal machen will". Atomenergie habe auch nach vierzig Jahren keine hinreichende Akzeptanz in der Bevölkerung. Deshalb dürfe die Union ihren Erfolg nicht davon abhängig machen, dass Atomkraftwerke störungsfrei laufen.
Gleichzeitig warnte der CDU-Minister davor, die Zusatzgewinne der Unternehmen mit einer Sonderabgabe abzuschöpfen. Der Staat müsse den Anschein vermeiden, er schöpfe Gewinne ab und mache dafür Zugeständnisse bei der Sicherheit. Dies sei auch verfassungsrechtlich schwierig. Damit stellt sich Röttgen gegen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), der kürzlich erklärt hatte, "mindestens die Hälfte" der Sondergewinne abschöpfen zu wollen.
Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), sagte der "Welt am Sonntag": "Im Koalitionsvertrag gibt es eine klare Vereinbarung, die auch für den Umweltminister gilt. Wir können unsere Umweltziele ohne Kernkraft nicht erreichen." Zwar müssten unsichere Atomkraftwerke abgeschaltet werden. "Sichere Kraftwerke können weiterlaufen, und zwar nicht nur vierzig Jahre, wie Herr Röttgen willkürlich festlegen will, sondern sechzig Jahre wie in den USA oder noch länger."
Fuchs kritisierte, es bedeute volkswirtschaftlich "einen enormen Schaden, gut funktionierende Kernkraftwerke abzuschalten, die weder durch Vogelschredderanlagen (Windkraft) noch durch Subventionsgräber (Solarzellen) ersetzbar sind". Auch Michael Kretschmer, ebenfalls stellvertretender Union-Fraktionsvorsitzender (CDU), kritisierte in der "WamS": "Ich bin selbst Ingenieur und sprachlos über so viel Unfug in der Debatte. Wollen wir tatsächlich die sichersten AKWs der Welt abschalten, um dann Strom aus weniger sicheren, ausländischen AKWs zu importieren?"
Die Umweltministerinnen von Baden-Württemberg und Hessen, Tanja Gönner und Silke Lautenschläger (beide CDU) erklärten der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Wir werden auch weiterhin für das Programm der Union und für den Koalitionsvertrag eintreten, die beide die Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke in Deutschland vorsehen." Die Atomenregie sei zwar eine Brückentechnologie, man dürfe sie aber nicht vorzeitig auslaufen lassen, sondern werde sie sicher noch über das Jahr 2022 hinaus brauchen.
Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und FDP vereinbart, die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke zu verlängern. Details soll ein Energiekonzept klären, das das Wirtschafts- und das Umweltministerium im Herbst vorlegen wollen. Das Konzept erarbeiten Röttgen und Brüderle gemeinsam, gerade bei den Laufzeiten zeichnet sich ein Konflikt zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium ab.
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