Röttgen-Äußerung: Aus für Gorleben oder politische Täuschung?
Stand: 26.03.2012
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Berlin - Bundesumweltminister Röttgen versuchte lange, Gorleben als mögliches Endlager im Spiel zu halten - trotz enormen gesellschaftlichen Widerstands. Nun erwähnte Röttgen erstmals ein mögliches Aus für den Standort - doch wie endgültig ist dieser Sinneswandel?
Der Satz mit dem größten Sprengstoff hört sich so an, als verstehe sich das alles ohnehin von selbst. Doch mit diesem Satz hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) womöglich das endgültige Aus für Gorleben als Atommülllager eingeleitet. Sicher ist: So weit weg bewegt hat sich Röttgen von Gorleben noch nie. Umstritten ist, ob es einen Kurs zurück in Richtung des Salzstockes in Niedersachsen gibt.
Möglicher Ausschluss erstmals erwähnt
"Der Salzstock Gorleben", schlägt Röttgen den Ländern vor, "wird als Vergleichsstandort gemäß den zuvor festgelegten Kriterien und Anforderungen in das Standortauswahlverfahren einbezogen, sofern er nicht in einer der Entscheidungsstufen nach § 12 bis 18 aus dem Verfahren ausgeschlossen wird."
Gorleben bleibt als Standort im Rennen oder nicht - so klug war man an sich auch schon vorher. Aber dass der mögliche Ausschluss nun ausdrücklich genannt wird, steigert bei den Gegnern die Gewissheit, dass Gorleben politisch und geologisch als Standort tot ist.
Kritiker fürchten "böse politische Täuschung"
Der baden-württembergische Grünen-Umweltminister Franz Untersteller frohlockt: "Gorleben ist nach allen bisher vorliegenden Erkenntnissen kein geeigneter Endlagerstandort, und ich bin überzeugt, dass sich das auch im Laufe des Endlagersuchprozesses anhand klarer wissenschaftlicher Kriterien erweisen wird." Dass jetzt die Möglichkeit bestehe, die Erkundung von Gorleben einzustellen, bringe den schwierigen Prozess der Endlagersuche voran.
Rebecca Harms, Grünen-Fraktionschefin im Europäischen Parlament und Anti-Gorleben-Veteranin der ersten Stunde, kritisiert den Vorstoß hingegen aus anderen Gründen. Röttgen bietet nämlich auch einen vorläufigen Erkundungsstopp des Salzstockes an. "Die Einstellung der Erkundungsarbeiten ist eine böse politische Täuschung", kritisiert Harms. "In Gorleben wird längst nicht mehr erkundet, sondern nur bewertet und genau das soll fortgesetzt werden."
Wichtige Wahlen stehen bevor
Bund und Länder verhandeln um die Kriterien für die Suche nach einem Endlager, von dem niemand weiß, ob auch der bestmögliche Standort den strahlenden Müll für abertausende Jahre sichern kann. Wenige Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen geht es aber auch darum: Wer gewinnt - wer verliert?
Röttgen betont: "Bereits zum 11. März, dem Jahrestag der Katastrophe von Fukushima, habe ich einen Lösungsvorschlag zu den verbliebenen offenen Fragen vorgelegt." Da ahnte noch niemand, dass im bevölkerungsreichsten Bundesland bald gewählt wird. Die SPD kritisiert, dass Röttgen jetzt aufs Tempo drückt, sei dem Willen nach einem politischen Erfolg des CDU-Spitzenkandidaten fürs Düsseldorfer Regierungsamt geschuldet.
Röttgen schwenkt auf SPD-Linie
SPD-Chef Sigmar Gabriel bemerkt spitz: "Herr Röttgen ist damit auf die Linie der SPD eingeschwenkt." Auf den Stand des rot-grünen Gorleben-Moratoriums. Wieder einmal ruft er nach der Kanzlerin. Gabriel will einen Atom-Gipfel mit den Ministerpräsidenten der Länder und den Fraktionsspitzen. Alles soll geklärt werden.
Tatsächlich mutet das Verfahren derzeit widersprüchlich an. Alle Beteiligten wollen einen nationalen Konsens darüber haben, wo am Ende der deutsche Atommüll hinkommt. Doch wann welche Vorschläge an wen gemacht werden und wer darüber berät, das bleibt zunächst im Dunkeln. Doch zugleich zeigen alle Wortmeldungen: Niemand will die Konsens-Schiene verlassen.