Ringen um die Offshore-Haftung: Wer soll die Zeche zahlen?
Stand: 24.10.2012
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Berlin - Der Windenergie-Ausbau auf hoher See stockt, weil der notwenige Netzanschluss nicht bewerkstelligt werden kann. Auch der Windpark Borkum ist betroffen. Doch wer haftet für die Verzögerungen? Die Koalition sucht händeringend nach einer Lösung, um nötige Anleger nicht zu vergraulen - aber auch die Verbraucher sollen nicht über Gebühr belastet werden.
Angesichts immer neuer Verzögerungen beim Ausbau der Windenergie auf hoher See sucht die Koalition händeringend nach einem Ausweg für die Bezahlung der Milliardenschäden. In der Unionsfraktion wird deshalb eine Änderung des derzeit im parlamentarischen Verfahren befindlichen Gesetzentwurfs zur Haftung für die Netzprobleme gefordert. Verzögerungen beim Netzanschluss bremsen nun auch den Windpark Borkum.
"Es bedarf Änderungen, so dass wir privates Kapitel gewinnen können und gleichzeitig hohe Belastungen der Verbraucher verhindern", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. "Das ist ein Spagat."
Stromkunden oder Netzbetreiber?
Übertragungsnetzbetreiber wie Tennet müssen sich laut Gesetzentwurf zur Offshore-Haftung bei fahrlässigem Verhalten mit bis zu 100 Millionen Euro jährlich an möglichen Schadenersatzzahlungen bei Problemen beteiligen. Tennet forderte eine Abmilderung, weil sonst dringend benötigte private Kapitalgeber vergrault würden.
Die Verbraucher sollen laut dem Entwurf Zusatzkosten für Anschlussprobleme über den Strompreis mitbezahlen - mit einer Haftungsumlage, gedeckelt auf maximal 0,25 Cent je Kilowattstunde. In der Koalition wird nun befürchtet, dass die Stromkunden über Jahre rückwirkend für die schweren Probleme beim Start der Großtechnologie im Zuge der Energiewende zahlen müssen. Die Schäden werden mittlerweile von Experten auf weit mehr als eine Milliarde Euro geschätzt.
Vorerst kein Netzanschluss für Windpark Borkum
Im Fall des Windparks Borkum verzögert sich der Regelbetrieb wegen Problemen mit dem Netzanschluss wohl um ein Jahr auf Ende 2013, teilte das Stadtwerke-Netzwerk Trianel mit. Die Gesamtinvestitionen kletterten von rund 850 auf mindestens 900 Millionen Euro. Vor dem zuständigen Landgericht Bayreuth klage Trianel deshalb gegen Tennet.
Mit den Fundamenten und anderen Teilen sei Trianel auf hoher See weit gekommen. 40 Windkraftanlagen stünden im niederländischen Eemshaven bereit. "Wir haben investiert, die Anlagen stehen an der Kaikante und jetzt ist kein Netzanschluss da", sagte Klaus Horstick, Geschäftsführer der Trianel Windpark Borkum GmbH.
Ausbauziele in Gefahr
Insgesamt soll es bis 2020 im Zuge der Energiewende 10.000 Megawatt Windkraftleistung in Nord- und Ostsee geben. "Das bröckelt immer mehr", sagte Trianel-Geschäftsführer Sven Becker. Er regte an, die Ausbauziele zurückzufahren.
Zuletzt hatte das US-Unternehmen Anbaric angekündigt, Tennet finanziell aushelfen zu wollen, damit die ins Stocken geratene Anbindung der Offshore-Windparks in der Nordsee wieder vorankommt.
Das dänische Energieunternehmen Dong hatte angekündigt, den Ausbau der Anlage "Borkum Riffgrund 2" zu stoppen, weil Tennet kein verlässliches Datum nennen wolle, wann die Leitung ins deutsche Stromnetz fertig sei.
Die Bundesregierung hatte die Pläne für die Schadenersatzzahlungen als Basis für mehr Investitionssicherheit bezeichnet. Bisher sind erst rund 200 Megawatt Windkraftleistung in Nord- und Ostsee installiert. Verschiedene Leitungen werden mangels Geld, Lieferproblemen und fehlender Haftungsregeln nicht verlegt. Der Schwarze Peter wird seit Monaten hin- und hergeschoben.
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