Rendite für Strom- und Gasnetzbetreiber soll sinken
Stand: 21.09.2016
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Bonn/Essen - Für den Bau neuer Strom- und Gasleitungen erhalten Energiekonzerne oder Stadtwerke staatlich garantierte Renditen. Wie hoch diese ausfallen, legt die Bundesnetzagentur alle fünf Jahre neu fest. Aktuell plant die Behörde eine deutliche Senkung, weil derzeit auch die Kapitalmarkt-Zinsen gegen Null tendieren.
Andererseits sind die Versorger wegen des Absturzes der Börsenstrompreise, der ihre Erzeugungsgewinne pulverisiert hat, mehr denn je auf sichere Einnahmen aus den Netzen angewiesen. Hinter den Kulissen wird kräftig geschachert. Am 28. September wollte die Behörde ihre Netz-Zinssätze für die Periode ab 2018/2019 offiziell bekanntgeben - dieser Termin verzögert sich um mindestens eine Woche.
Um wie viel Geld geht es insgesamt?
Trotz der stark zurückgegangenen Gewinne investiert die Energiebranche immer noch sehr viel Geld in neue Leitungen. Für Bau und Betrieb der Netze fallen nach Branchenschätzungen derzeit pro Jahr etwa 18 Milliarden Euro beim Strom und rund 5,5 Milliarden Euro beim Gas an. Die jährliche, vom Staat garantierte Rendite auf das eingesetzte Kapital liegt laut den Schätzungen bei etwa 2,5 Milliarden Euro branchenweit für Gas und Strom zusammen.
Wie hoch sind diese Renditen in Prozent?
Der sogenannte Eigenkapitalzins beträgt derzeit 9,05 Prozent bei neuen Anlagen und 7,14 Prozent bei bestehenden. Die Bundesnetzagentur möchte auf 6,91 Prozent für neue Leitungen und 5,12 für schon installierte herunter.
Das ist immer noch traumhaft angesichts der Null-Zins-Tendenz am Kapitalmarkt, oder?
Auf den ersten Blick: Ja. Der Kapitalzins sei allerdings nicht mit Netto-Gewinnen zu verwechseln, betonen die Unternehmen - schon weil der Eigenkapital-Anteil bei Leitungsbauprojekten auf 40 Prozent begrenzt ist. Nach Abzug von Ertragssteuern und Inflationsrate bleibt nach Berechnung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ein Zins von immerhin noch 5,83 Prozent.
Ist der Streit für Verbraucher überhaupt wichtig?
Wer nur aufs eigene Portemonnaie schaut, kann eigentlich gelassen bleiben. Die Kürzung brächte je nach Berechnungsweise für den Durchschnittshaushalt nur zwischen 5 und 10 Euro Ersparnis im Jahr. Aber die Höhe der Garantierenditen für die Industrie ist natürlich eine Frage von hohem politischen Symbolwert.
Was sagen die Gegner einer Kürzung?
Die Energiebranche fordert statt der geplanten Kürzung um rund ein Viertel eine Erhöhung des Garantiezinses um einen Prozentpunkt.
Der BDEW erklärt, real erwirtschafteten die Investoren mit Steuern und allen Abzügen nur rund 3,8 Prozent. Das sei für externe Investoren zu wenig. Und aus eigener Kraft könnten die Netzbetreiber das nötige Geld für den Netzausbau so nicht mehr aufbringen.
Protest kommt nicht nur von großen Konzernen, sondern auch von den Stadtwerken, die über die Verteilnetze den einzelnen Haushalt anschließen. Dort sei der Investitionsbedarf besonders groß, betonte Verbandschefin Katherina Reiche.
Was sagen die Befürworter einer Kürzung?
Investitionen in die Netze blieben trotz der geplanten Absenkungen attraktiv, meint dagegen ein Sprecher der Bundesnetzagentur. Der geringere Zins vollziehe nur die allgemeine Zinsentwicklung am Kapitalmarkt nach. Mit dem Verzinsungsvorschlag sieht die Netzagentur einen angemessenen Mittelweg auf international vergleichbarem Niveau. Dem Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) gehen die möglichen Kürzungen der Konzerngewinne sogar nicht weit genug.
Zusätzliche Einsparungen in Milliardenhöhe zugunsten der Verbraucher seien ohne Probleme möglich, erklärte der Verband auf der Grundlage eines Gutachtens der Universität Lüneburg. Der BNE spricht von "staatlich garantierten Traumrenditen". "Investitionen in die Stromnetze sind risikoarm, deswegen kann die Kapitalverzinsung auch abgesenkt werden", sagt auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn. Das sei eine "überfällige Maßnahme".
Wie geht es jetzt weiter?
Die Bundesnetzagentur wertet alle Stellungnahmen aus und wird - wohl im Oktober - dann den neuen Zinssatz festlegen. Die Lobbyisten arbeiten derweil weiter. Vor allem aus den Stadtwerken soll starker politischer Druck kommen. Die Städte brauchen die Einnahmen aus dem Energiegeschäft traditionell, um Verluste etwa bei Nahverkehr, Bädern und Freizeitangeboten auszugleichen.