Renaissance der kommunalen Versorger
Stand: 21.02.2013
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Berlin/Marburg - Viele Kommunen wollen die Versorgung ihrer Bürger mit Energie und Wasser wieder selbst in die Hand nehmen, um die setig steigenden Energiekosten im Zaum zu halten. Verbraucher können diese neue Vielfalt nutzen - allerdings müssen sie sehr genau hinschauen - Verbraucherschützer finden den Trend nicht unproblematisch.
In der hessischen Gemeinde Schönstadt bei Marburg ist man schon dort, wo viele andere Kommunen noch hinwollen. Dazu brauchte es das örtliche Sägewerk und eine Bürgerinitiative. Seit Oktober hat Schönstadt nach eigenen Angaben das "größte Nahwärmenetz Deutschlands in Bürgerhand". Mehr als drei Viertel der 1600-Seelen-Gemeinde bei Cölbe sind an die kommunale Versorgung mit der Abwärme aus dem Biomassekraftwerk des Sägewerks angeschlossen - Heizen ist jetzt günstiger als zuvor mit Öl.
Schönstadt ist nur ein Beispiel für das Bestreben von Bürgern und Kommunen, die Energieversorgung stärker in eigene Hände zu nehmen und sich damit auch gegen steigende Preise zu wehren. In Stuttgart wurden vor kurzem die Stadtwerke neu gegründet, auch in Hamburg macht ein kommunales Unternehmen den Grundversorgern Konkurrenz. Ende Oktober hatte das Land Berlin nach einem Bürgerentscheid bereits einen Teil der Wasserversorgung zurückgeholt. Dahinter steht auch die Hoffnung auf sinkende Preise für die Verbraucher.
Misstrauen gegenüber großen Energiekonzernen
Einziges Ziel der Großkonzerne sei die Rendite für die Aktionäre, mutmaßen misstrauische Bürger. Das Bündnis "Berliner Energietisch" setzt sich für den Rückkauf auch des Berliner Stromnetzes ein. "Was haben wir als Verbraucher von den Gewinnen, die derzeit im Vattenfall-Konzern nach Schweden fließen?", fragt Sprecher Stefan Taschner. Man brauche Klarheit darüber, wie viel Gewinn mit der Berliner Stromversorgung eigentlich gemacht werde. Danach könne man auch über Preissenkungen reden.
Damit spricht er vielen Verbrauchern aus dem Herzen. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) zählt seit 2007 über 60 Neugründungen von Stadtwerken und über 170 Konzessionsübernahmen durch Kommunen und ihre eigenen Unternehmen. Städte und Gemeinden sehen angesichts vieler auslaufender Konzessionsverträge die Chance, mit der Energie- und Wasserversorgung wieder Einnahmen zu erzielen.
"Wir sind nicht der billige Jakob"
VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck macht das Wiedererstarken der kommunalen Versorger auch daran fest, dass die großen Strom- und Gasriesen nicht durch Kundennähe glänzten. "Der kommunale Versorger vor Ort kennt seine Kunden genauer als ein großer Energiekonzern, der ganz Deutschland über einen Kamm schert", sagt er. Beim Endpreis für den Verbraucher können aber auch die kommunalen Unternehmen nicht zaubern. "Wir sind nicht der billige Jakob", sagt Reck. "In Preisvergleichen sind Stadtwerke in allen Regionen der Ranglisten vertreten." Demnach könnten beim Vergleich Einsparungen für den Kunden drin sein - müssen aber nicht.
Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energie-Agentur (Dena), sieht das Comeback der kommunalen Versorger gemischt. "Rekommunalisierung bietet nicht per se einen Nutzen für den Endverbraucher", sagt er.
"Es ist zwar durchaus möglich, dass ein kommunaler Versorger Energie günstiger produzieren kann als andere Stromhändler - aber das ist nicht automatisch der Fall". Als positives Beispiel nennt Kohler Schönstadt: "Diese Energiegenossenschaft kann einen Preis für Heizwärme anbieten, der 30 Prozent unter dem heutigen Ölpreis liegt."
Bürger können sich an Rekommunalisierung beteiligen
Durch die Energiewende sieht Kohler auch weitere Möglichkeiten. "Der Bürger hat immer dann Chancen durch die Rekommunalisierung, wenn er sich an konkreten Strom- und Wärmeprojekten selbst beteiligen kann." Vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geförderte Anlagen seien risikoarm und böten durch die feste und auf Jahre garantierte Einspeisevergütung eine lukrative Verzinsung.
So kann lokale Stromerzeugung auch als Beteiligung interessant sein. Peter Blenkers von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät aber dazu, sich Angebote genau anzuschauen. Er rät zur Vorsicht, wenn Die Belieferung mit Strom auch gleich eine geschäftliche Beteiligung an der Genossenschaft voraussetzt. "Eine solche Koppelung sehen wir kritisch", sagt er. Geschäftliches Risiko solle klar vom Strombezug als Kunde getrennt sein.
"Diesen Trend sehen wir eher skeptisch"
Für den Bezug von Strom aus Energiegenossenschaften wie auch von kommunalen Erzeugern gelte das Gleiche wie sonst auch: "Man sollte darauf achten, keine Vorkasse und keine Kaution zu leisten." Dann könne einem als Kunde nicht viel passieren. Verbraucherschützer finden den vermehrten Rückkauf der Versorger insgesamt aber nicht unproblematisch. "Diesen Trend sehen wir eher skeptisch", sagt Energieexperte Holger Krawinkel vom Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin. "Hauptsächlich geht es bei Rekommunalisierung darum, den Städten und Gemeinden neue Einnahmequellen zu erschließen", sagt er. "Diese zusätzlichen Einnahmen bedeuten an anderer Stelle häufig höhere Strompreise für den Verbraucher."
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