Regierung will Atomkonzernen noch tiefer in die Tasche greifen
Stand: 08.06.2010
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Berlin - Neben einer neuen Steuer drohen den Atomkonzernen E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall weitere Milliardenbelastungen. Die CDU will für die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke deutlich mehr Geld einnehmen als die jährlichen 2,3 Milliarden Euro aus der neuen Brennelemente-Steuer. Die Aktien von E.ON und RWE gehörten an der Börse zu den größten Verlierern des Tages.
Diese Steuer will Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unabhängig von den Laufzeiten erheben. "Diese Steuer steht für sich. Es gibt keine Verknüpfung mit der Laufzeitfrage", sagte ein Sprecher von Schäuble.
Zur Begründung hatte die Regierung am Montag erklärt, mit der Steuer solle die Atombranche an den Kosten für den Atommüll beteiligt werden. Auch sollten ungerechtfertigte Zusatzgewinne aus höheren Strompreisen einbezogen werden.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sieht die neue Steuer kritisch. Das Ziel der Koalition, die Hälfte der zusätzlichen Erträge der Atomkonzerne für den Ausbau der Öko-Energie abzuschöpfen, werde mit Sicherheit nicht erreicht, sagte er in Stuttgart. "Das finde ich schade und nicht gut."
Der CDU-Energieexperte Joachim Pfeiffer sagte dpa, es sei jetzt an der Zeit, dass die Regierung das Laufzeit-Problem konsequent anpacke. Auch er hält die 2,3 Milliarden Euro nicht für das letzte Wort: "Das Thema Gewinnabschöpfung ist damit mit Sicherheit nicht abgeschlossen."
Die Regierung will Mitte Juli ein Energiekonzept vorlegen. Dann soll klar sein, ob und wie lange einzelne Atommeiler noch am Netz bleiben dürfen. In Deutschland gibt es 17 Reaktoren. Sie zählen zu den großen Gewinnbringern der Stromkonzerne.
Die E.ON-Aktie verlor im Leitindex Dax zwischenzeitlich rund 3,9 Prozent und lag am Dienstagnachmittag bei 23,40 Euro. RWE-Aktien büßten rund 3,7 Prozent auf 55,79 Euro ein.
UBS-Analyst Patrick Hummel erklärte in einer Studie, dass eine neue Steuer den Gewinn je Aktie bei E.ON um zehn und bei RWE um elf Prozent schmälern könnte. Langfristig würden aber die positiven Auswirkungen einer Laufzeitverlängerung überwiegen.
Union und FDP hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag zu einer längeren Nutzung der Kernkraft bekannt. Ein Kompromiss könnte sein, die Nutzungsdauer der Kraftwerke um zehn Jahre zu verlängern - zusätzlich zur bisher errechneten Laufzeit bis etwa 2022.
Noch heftig umstritten ist, ob der Bundesrat einer Änderung der Atomgesetze zustimmen muss. Die Regierung prüft, ob die Länderkammer umgangen werden kann. Schwarz-Gelb hat im Bundesrat nach der Schlappe bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen keine Mehrheit mehr.
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