Regierung spricht sich für umstrittene CO2-Speicher aus
Stand: 14.07.2010
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Berlin - Angesichts der erheblichen Sorgen in der Bevölkerung sollen bei der Erprobung von unterirdischen Lagerstätten für klimaschädliches Kohlendioxid höchste Sicherheitsstandards gelten. Das betonten Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) am Mittwoch in Berlin.
Mit dem Abtrennen von Kohlendioxid (CO2) und der Lagerung tief in der Erde soll der Ausstoß von Treibhausgasen der Industrie und bei der Kohleverstromung auf ein Minimum reduziert werden. Die Regierung hofft, dass die Technik ein Exportschlager wird. Ob die Technologie ab 2017 kommerziell genutzt wird, sei aber offen, betonte Röttgen.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warnt vor unkalkulierbaren Risiken. Gäbe es ein Leck, das zum Entweichen hoher Mengen führt, drohe der Erstickungstod. Der Industrieverband BDI erklärte, derzeit sei Deutschland in dieser Technologie noch führend. Ohne zügige Erprobung sei dieser Vorsprung gefährdet.
Die große Koalition hatte sich 2009 in einem ersten Anlauf nach Protesten nicht auf ein solches Gesetz einigen können, mit dem auch eine EU-Richtlinie umgesetzt wird.
In einer Testphase soll zunächst die Menge des unter der Erde zu speichernden Kohlendioxids auf drei Millionen Tonnen jährlich pro Anlage beschränkt werden. Auch soll es keine Testspeicher gegen den Willen von Bundesländern geben. Kommunen, die solche Anlagen betreiben, sollen Ausgleichszahlungen bekommen.
"Wir haben mit diesem Gesetzentwurf den rechtlich und technisch maximalen Sicherheitsstandard festgeschrieben", sagte Röttgen. "Mehr geht nicht". Brüderle zufolge wird mit der Erprobungsphase offenen Fragen und den vielen Sorgen in der Bevölkerung Rechnung getragen. Auch würden Bürger an den Entscheidungsprozessen beteiligt. "Diese Erprobungsphase meinen wir ernst", sagte Röttgen.
Mit dem CCS-Verfahren (Carbon Capture and Storage) soll CO2, das aus der Verstromung und in der Industrie anfällt, gefiltert und klimaneutral tief im Boden gelagert werden. Dem Erprobungsgesetz muss der Bundesrat nicht zustimmen. Geplant sind zwei, maximal drei kleine oder mittlere Testanlagen. Erprobungen soll es nur dort geben, wo die geologischen Bedingungen langfristig Sicherheit garantieren und wo keine Gefahr für die Bevölkerung ausgehen könne.
Umstritten ist die Haftungsfrage: Laut dem der Nachrichtenagentur dpa vorliegenden Gesetzentwurf besteht für den Betreiber eine bis zu 30 Jahre wirkende Nachsorgepflicht, wenn der Speicher voll ist. Danach ist der Staat verantwortlich, sollte es zu Schäden kommen. Der Entwurf sieht ferner Enteignungen für den Bau von Leitungen und Lagerstätten sowie eine Entschädigung betroffener Kommunen vor.
Der Energiekonzern Vattenfall will ab 2015 große Mengen CO2 aus einer neuen Anlage im Kraftwerk Jänschwalde (Lausitz) in tiefe Gesteinsschichten pressen. Die Anlage wird mit 180 Millionen Euro der EU gefördert, da man sich positive Klimaschutz-Effekte erhofft.
Ein erstes CO2-Lager könnte in der brandenburgischen Stadt Beeskow entstehen. Bürgermeister Frank Steffen (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir wollen hier keine zweite Asse werden". Er spielte damit auf den Atommüllskandal in dem niedersächsischen Schacht Asse an, wo radioaktives Material zu entweichen droht.
Der Grünen-Bundestagabgeordnete Oliver Krischer sprach angesichts der Pläne Vattenfalls von einer "Lex Brandenburg", auch um die dortige Kohlepolitik der rot-roten Koalition abzusichern.
"Ohne CCS-Technologie wird es nicht gelingen, die Klimaziele (...) zu erreichen", sagte Brüderle. Die Anlagen seien nicht nur für den Energiewirtschaft wichtig, sondern auch für die Zement-, Stahl- und Aluminiumindustrie sowie für die Petrolchemie. Brüderle: "Diese Technologie darf nicht das gleiche Schicksal erleiden wie der Transrapid oder Biotechnologie in Deutschland."