Regierung sieht den Zahlungsstopp der Atomkonzerne gelassen
Stand: 11.04.2011
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Berlin - Obwohl die Bedenken wachsen, lässt die Bundesregierung weiterhin offen, wie die Energiewende in Deutschland bezahlt werden soll. Auf den Zahlungsstopp der Stromkonzerne an den Ökoenergie-Fonds reagierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) demonstrativ gelassen. Sowohl Wirtschaftspolitiker der Unionsfraktion als auch die SPD warnten vor steigenden Strompreisen. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) rechnet beim Umstieg auf erneuerbare Energien mit mehr Wachstum und Arbeitsplätzen.
Man befinde sich mitten im dreimonatigen Atom-Moratorium, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. "Jetzt kann natürlich nicht die Zeit sein, dieses oder jenes Einzelthema als das große Hindernis herauszupicken." Anfang Juni würden auch die finanziellen Auswirkungen geklärt. "Die Bundesregierung hat die Entscheidungen der Kernkraftwerksbetreiber, die Zahlungen vorerst einzustellen beziehungsweise sie auf ein Sperrkonto zu überweisen zur Kenntnis genommen", sagte Seibert auch im Namen Merkels.
Die vier großen Stromkonzerne hatten ihre Überweisungen an den Fonds zur Förderung regenerativer Energien wegen des Laufzeit-Moratoriums eingestellt. Bislang umfasst der Fonds nach Auskunft des Finanzministeriums erst 75 Millionen Euro. 2011 und 2012 sollten zusammen 600 Millionen Euro in den Fonds fließen, dann bis 2016 jährlich 200 Millionen. Röttgen sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Die einseitige Entscheidung der Kernkraftwerkbetreiber, die Zahlungen einzustellen, setzt voraus, dass es zu einer kompletten Rücknahme der Laufzeitverlängerungen kommt."
Der haushaltspolitische Sprecher der Union, Norbert Barthle, wandte sich in der "Berliner Zeitung" gegen neue Subventionen. "Wenn Mehrkosten durch die Energiewende entstehen, dann müssen die Verbraucher sie tragen und nicht die Steuerzahler." Der Unions-Fraktionsvize und Mittelstandspolitiker Michael Fuchs (CDU) sagte dem "Hamburger Abendblatt", jeder müsse sich im Klaren sein, "dass der Strompreis steigen wird, wenn der Atomausstieg beschleunigt wird".
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe verteidigte das Sechs-Punkte-Programm von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Es sieht Milliardeninvestitionen für den Ausbau erneuerbarer Energien vor. Es sei ein "wesentlicher Baustein" für das künftige Energiekonzept der Koalition, sagte Gröhe. In der Parteispitze herrsche Einigkeit, den Energieumstieg zu beschleunigen. Dies müsse verbunden werden mit Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit und Haushaltskonsolidierung. Die Schuldenbremse setzte den Finanzrahmen.
Eine Röttgen-Sprecherin betonte, der Ausbau von Ökoenergie diene einem "großen Zuwachs an Lebensqualität" - steigendes Wachstum und mehr Arbeitsplätze seien die Folge.
SPD-Chef Sigmar Gabriel wandte ein: "Strompreise müssen sozial vertretbar blieben." Zur Finanzierung müsse die Regierung Sparvorschläge vorlegen. Die Abgaben der Atomindustrie müssten gesetzlich geregelt werden. Es sei falsch gewesen, die Abgaben an die Laufzeitverlängerung zu koppeln. Die energiepolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, Dorothée Menzner, kritisierte: "Mit den Konzernen ist die Energiewende nicht zu machen."
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, sagte Handelsblatt Online, die Befristung der Brennelementesteuer müsse aufgehoben, der Steuersatz erhöht werden. Der Grünen-Haushaltsexperte Alexander Bonde forderte dort den Abbau ökologisch schädlicher Subventionen. Der Bund der Steuerzahler warnte: "Wer die Rahmenbedingung der Schuldenbremse unterlaufen will, bricht die Verfassung."
Zwischen 1990 und 2010 hat Deutschland den Anteil erneuerbarer Energien vervierfacht. Inzwischen liegt ihr Anteil am Stromverbrauch laut Statistischem Bundesamt bei 17 Prozent. Der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, hält einen Atomausstieg wie die Grünen laut "Frankfurter Rundschau" bis 2017 für möglich. Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer (CDU) schlug ein Energiekabinett im Kanzleramt für die Aufgabenverteilung bei der Energiewende vor.