Regierung: keine Privatisierung der Atommüll-Endlager
Stand: 22.09.2010
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Berlin - Wenn Bundesumweltminister Norbert Röttgen in den kommenden Wochen nach Gorleben reist, dürfte es für ihn ungemütlich werden. Er verneint eine einseitige Vorfestlegung, die Endlagersuche verlaufe ergebnisoffen. Sehr häufig hat Röttgen diese Position in den letzten Wochen wiederholt. Doch der Zweifel wächst - denn die Worte des Bundesumweltministers wollen nicht so recht zu den Überlegungen passen, die bei der Neufassung des Atomgesetzes diskutiert werden.
Nach Enteignungen zur Beschleunigung der Erkundung Gorlebens tauchten nun Hinweise auf, Röttgen wolle die Möglichkeit zur Privatisierung von Atommüll-Endlagern verbessern. Das muss nicht per se schlecht sein, nur genießt die Atomwirtschaft bei der Entsorgung von Müll bisher keinen guten Leumund, wie das Beispiel Asse zeigt.
Das Ministerium bestätigte am Mittwochvormittag zunächst die Pläne, doch dann wird es offensichtlich vom Kanzleramt zurückgepfiffen. Zu emotional ist wohl derzeit das Thema für die Regierung, als dass sich Union und FDP in einem heiklen Punkt den Vorwürfen eines Klüngelns mit der Atomlobby aussetzen wollen.
"Es bleibt alles beim Alten", betont Regierungssprecher Steffen Seibert. Überlegungen, dem Bundesamt für Strahlenschutz Kompetenzen zu entziehen und dem Umweltministerium zu übertragen, seien ad acta gelegt worden. Gleichwohl sind Privatisierungen - allerdings mit Einverständnis des BfS - auch jetzt schon möglich.
Im Fokus steht bei den Überlegungen in der Endlagerfrage ein alter Bekannter: Der Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit im Umweltministerium, Gerald Hennenhöfer. Er hat als früherer E.ON-Manager gute Kontakte zur Atomlobby. Die Opposition wirft ihm vor, im Ministerium sein eigenes Süppchen zu kochen und in das Atomgesetz vorteilhafte Klauseln für die Konzerne reinzuschreiben - etwa auch beim Klagerecht der Bürger für mehr Reaktorsicherheit.
Die Konzerne dringen angesichts von bisherigen Ausgaben für die Endlagersuche von 1,5 Milliarden Euro darauf, dass Gorleben auch das Endlager wird - trotz aller Bedenken, ob das Salz den Atommüll für eine Million Jahre sicher verschließen kann. "Hennenhöfer ist sozusagen der Agent der Atomwirtschaft in der Bundesregierung", sagt Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe.
Röttgen hatte Hennenhöfer nach dem Regierungswechsel in sein Ministerium geholt. Vor der Arbeit für E.ON diente Hennenhöfer auch schon unter der Umweltministerin Angela Merkel als Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit. Hennenhöfer wurde auch als einziger zu der nächtlichen Runde im Bundesfinanzministerium gerufen, die den "Atom- Deal" mit den vier Energiekonzernen RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall ausheckte. Offiziell, nur um eine Fachfrage zu beantworten.
Mit der Übergabe der Verantwortung an andere Unternehmen hätte das Bundesamt für Strahlenschutz geschwächt werden können - an der Spitze steht seit 1999 mit Wolfram König ein Grünen-Mitglied. Er hat sich stets gegen längere Atomlaufzeiten ausgesprochen. Dem Vernehmen nach soll er jüngst Bedenken gegen die für 2015 geplante Inbetriebnahme des neuen Lagers für schwach- und mittelradioaktiven Müll, den Schacht Konrad, geäußert haben. Es gehe um eine Entmachtung Königs, sagt DUH-Sprecher Rosenkranz. Schließlich sei König unter dem Grünen-Umweltminister Jürgen Trittin an die BfS-Spitze gekommen. Da könnte König bei Bedenken gegen Gorleben stören.
Gleichwohl ist es umstritten, dass das BfS in der jetzigen Konstruktion gleichzeitig Betreiber und Kontrolleur eines atomaren Endlagers sein könnte - deshalb wollte das Umweltministerium diesen Widerspruch mit dem neuen Privatisierungs-Passus auflösen. Aufgeschreckt durch das Echo auf die Pläne, ließ man davon ab.
Der SPD-Chef und frühere Bundesumweltminister Sigmar Gabriel warnt vor zu viel Einfluss der Atomlobby beim Thema Endlagerung. Es sei höchst fragwürdig, dass die Energiekonzerne bereits indirekt an der am 1. Oktober startenden erneuten Erkundung Gorlebens beteiligt würden. Gabriel meinte damit den Ex-Chef der Atomsparte von Vattenfall, Bruno Thomauske. Er ist im Auftrag von Röttgen an einem Gutachten zu Gorleben beteiligt.
Eine Beteiligung der Atomwirtschaft sei schon bei der Asse schief gegangen, sagt Gabriel. Bis 1978 wurden dort rund 126 000 Behälter mit schwach- und mittelradioaktivem Müll unter die Erde gebracht. Nach etlichen Pannen und Versäumnissen wurde dem Betreiber, dem Helmholtz-Zentrum München, 2009 die Verantwortung entzogen. Es ist Mitglied in der Lobbyvereinigung Deutsches Atomforum. Jetzt ist das BfS zuständig. Die Bergung der Fässer wird mehrere Milliarden Euro kosten. Die Kosten trägt weitgehend der Steuerzahler.
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